Haslbauer_ Zur Arbeitskraft und ihrer Veräußerung bei Marx_240304



Abstract:

Die Arbeitskraft ist eine zentrale Kategorie bei Marx. Für sich lediglich als eine menschliche Substanz und die mit ihr gegebenen Möglichkeiten bestimmt, bewerkstelligt sich mit ihr – nach Marx über ihren Verkauf – die Lohnarbeit und darüber die Mehrarbeit. In fast allen Lesarten von Marx wird die Qualität dieser Arbeitskraft nicht näher bestimmt. Was mit ihr oder wie sie geäußert wird, ist damit schon nur vage erfasst. Insbesondere ist aber meist nicht eindeutig, wie sie in dem Prozess der Lohnarbeit veräußert wird. Schlussfolgerungen auf das dabei tätige Subjekt ergeben sich überhaupt nicht.

Bei näherem Hinsehen muss die marxsche Darstellung der entsprechenden Sachverhalte nicht nur überdacht werden. Der Akt der Veräußerung der Arbeitskraft beim Lohnarbeiter bietet mit seiner korrekteren Fassung als Verleih des Menschen darüber hinaus eine begriffliche Klärung des Eigentumsverhältnisses im allgemeinen, sowie von dessen Subjekt, der vom Menschen abstrahierten Person.



Haslbauer_Zur Arbeitskraft und ihrer Veräußerung bei Marx


Marx bestimmt die Arbeit, die lebendige Produktionstätigkeit des Menschen, als Substanz des Wertes. Ergänzend fasst Marx die Zustände und Prozesse, die der produktive Mensch an sich selbst erfährt bzw. vollzieht. Die im Menschen vorliegende Arbeitskraft liegt nach Marx in der Physiologie der menschlichen Lebendigkeit vor. Diese substantielle Anlage des Menschen verwirklicht sich im Arbeitsprozess. Zugleich stellt Marx die Arbeitskraft in ihrem Wert dar, ihr Handel als Ware ermöglicht nach Marx Mehrarbeit.


Marx´ Arbeitswert-Theorie hebt an mit der Ware und dem Tausch, und er folgert aus ihr den Warenwert. Obwohl er den Wert als gesamtgesellschaftlichenSachverhalt ohne ein wollendes Zutun der Menschen darstellen will, lässt Marx es so aussehen, als wäre der Wert an der Einzelware und über einen mit ihr vollzogenen Willensakts des Tauschs zu finden. Nachdem Marx den Wert an der Ware zunächst als einzelner bestimmt hat, ist er genötigt, in einer Entwicklung dieser Kategorie des Werts den durchschnittlichen Arbeitszeitaufwand für diese Art Ware heranzuziehen, weil er auf das Erscheinen des gesamtgesellschaftlichen Werts im Preis der einzelnen Ware abzielt.


Auf der Grundlage dieser Wertbestimmung von Waren entwickelt Marx die Mehrarbeit in den sachlichen Wertformen des Kapitals, wie sie in den Rechnungslegungen des Kapitals, allgemein und auch als einzelnes, vorkommt. Seine Mehrarbeitstheorie initiiert Marx an der Lohnarbeit ebenfalls mit Willensakten in Bezug auf die Arbeitskraft als einzelner Ware. Das ist für die Darstellung von Mehrarbeit nicht notwendig, und in der Sphäre des allein objektiven Kapitals letztlich fehl am Platze. Entsprechend dem Verfahren bei der Bestimmung des gesellschaftlichen Werts muss Marx bei kapitalistischer Produktion die einzelne Mehrarbeit über den Mehrwert zum Profit umwandeln, und diesen letztlich im Durchschnittsprofit nivellieren.

In dieser Sphäre von Warenwert und Kapital sind die Menschen nach der Logik der Entwicklung der Kategorien bei Marx nur Ausführende dieser sachlichen Verhältnisse1. Willensakte von Menschen kommen hier weder formal noch von einem Inhalt her vor. Auch die materiell interessierte Subjektivität des Menschen (Gebrauchswert bzw. Einkommen) ist für den Inhalt der dargestellten Verwertung sekundär und ihr äußerlich.

Soweit Marx in der Darstellung seiner begrifflichen Entwicklung also Willensmomente in ´Das Kapital´ einfließen lässt, befördert er das Missverständnis2, Wertsein und Mehrwert wären für sich Willensakte, wenn auch gesellschaftlich vollzogene.


Demgegenüber gilt es zu betonen:

Arbeit resultiert im Kapitalismus in einem gesamtgesellschaftlich geschaffenen Wert, der sich auf alle produzierten Waren verteilt. Die darin enthaltene Mehrarbeit sprich: ihr Mehrwert münden in einem gesamtgesellschaftlichen Profit. Von den grundlegenden Momenten Arbeit und Mehrarbeit scheidet Marx eine Erscheinungsebene mit veränderten Formen dieser Momente, in denen sie den Menschen in der Durchführung der kapitalistischen Produktion zukommen. Das ist zum Einen die Gegenständlichkeit der Gebrauchswerte, auf die es ihnen als Menschen bei der Ware ankommt. Zum anderen erscheint aller neu geschaffener Wert der kapitalistischen Produktion in den Einkommen, auf die und deren gegenständliche Quellen sich die Menschen willentlich in ihrer Verfolgung ihrer Zwecke3 beziehen: Gewinn aus dem Produktionsprozess, Zins aus Geld, Rente aus Natur; der arbeitende und allen Wert schaffende Mensch erhält Lohn für den Gegenstand seiner lebendigen Arbeitskraft.


Insbesondere am Lohn als Wert der Ware Arbeitskraft gerät die Marxsche Vermischung der logischen Ebenen widersprüchlich und inhaltlich problematisch.

Es wird zunächst herausgearbeitet, wie stimmig Marx die Arbeitskraft einführt und ihre Äußerung zur Darstellung bringt. Getrennt davon kommt das Konzept Marx´ zur Veräußerung der Arbeitskraft bei der Erzielung von Mehrarbeit zur Sprache.



I. Marx´ Darstellung der Arbeitskraft und ihrer Äußerung


1. Arbeitskraft bei der Bestimmung der Wertsubstanz


Marx´ argumentatives Bemühen richtet sich im ersten Kapitel von „Das Kapital“ auf den Nachweis, dass die Werte der Waren substanziell aus der Arbeit in ihrem physiologischen, über eine Zeitspanne hinweg sich erstreckenden Prozess resultieren:


„Der Wert der Waren aber stellt menschliche Arbeit schlechthin dar, Verausgabung menschlicher Arbeit überhaupt.“ (MEW 23, 58f)

„Wir kennen jetzt die Substanz des Werths. Es ist die Arbeit.“ (´Das Kapital´, 1867, MEGA II/5, S.21)

„Die Arbeit jedoch, welche die Substanz der Werte bildet, ist gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung derselben menschlichen Arbeitskraft.“ (MEW 23, 53)

„Mit dem nützlichen Charakter der Arbeitsprodukte verschwindet der nützliche Charakter der in ihnen dargestellten Arbeiten, sie unterscheiden sich nicht länger, sondern sind allzusamt reduziert auf gleiche menschliche Arbeit, abstrakt menschliche Arbeit.“ (MEW 23, 52)


Marx bestimmt also grundsätzlich die lebendige Produktionstätigkeit des Menschen als Substanz des Werts. Inwiefern die Arbeit diese Substanz bildet, dazu will er sich nicht so genau festlegen. Die Arbeit in ihrer Konkretion, wozu letztlich auch die Dimension ihres Zeitverlaufs gehört, kommt für ihn dafür eher nicht infrage. Marx scheint der Arbeit selbst als inhaltlich immer konkreter und bestimmter keine Allgemeinheit zuzutrauen, die seiner Vorstellung von abstrakter Wertbildung entspricht. Arbeit als gebrauchswertbildende Tätigkeit der Menschen ist nach Marx nicht wertbildend. In seiner Rede von der abstrakten Arbeit schließt er gerade alle konkrete Arbeit nicht ein, sondern aus.

Er weicht also der Bestimmung der Wertbildung an der und durch die Arbeit selbst in gewisser Hinsicht aus4.


Ergänzend zu der an den Produktionsmitteln sich betätigenden und im Arbeitsprodukt mündenden Arbeit fasst Marx die Zustände und Prozesse, die der produktive Mensch im Arbeitsprozess an sich selbst erfährt bzw. vollzieht. Im Gegensatz zur lebendigen, im Zeitverlauf an den materiellen Produktionselementen sich vollziehenden Arbeit bestimmt Marx die im Menschen vorliegende Arbeitskraft5 als in der Physiologie des Menschen statisch und zeitlich punkthaft vorliegend. Diese Anlage der Arbeitskraft im Menschen ist der tatsächlichen Arbeit zeitlich vorausgesetzt. Arbeitskraft selbst, auch in ihrer materiellen Substanz, ist in Bezug auf die reelle Arbeit nichts als die prospektive Potenz zu ihr, gewinnt aber ihre Wirklichkeit im lebendigen Arbeitsprozess:


„Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehen wir den Inbegriff der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existieren und die er in Bewegung setzt, sooft er Gebrauchswerte irgendeiner Art produziert.“ (MEW 23, 181)

„Alle Arbeit ist einerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn, und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder abstrakt menschlicher Arbeit bildet sie Warenwert.“ (MEW 23, S.61)

Nach dieser Bestimmung liegt die Arbeitskraft des Menschen in seiner Lebendigkeit vor, ist ein Teil von ihr. Als Mensch in seiner Einheit und Ganzheit widmet er sich der arbeitenden Tätigkeit. Oder anders ausgedrückt: Der Mensch als Subjekt gebraucht diese seine Leiblichkeit und Geistigkeit in der zielgerichteten Arbeit. Die Unterscheidung zwischen der Potenz zur Arbeit und ihrer sich

verwirklichende Ausführung hat an dieser Stelle der marxschen Überlegungen allerdings keine inhaltliche Konsequenzen: Die ideell gerichtete Arbeitskraft gewinnt Dasein, Wirklichkeit in der Arbeit.

Dass die Arbeitskraft nur in dem Teil des Menschen bestehen könnte, der im Arbeitsprozess verbraucht wird und wiederhergestellt werden muss, ist in dieser allgemeinen Bestimmung der Arbeitskraft nicht enthalten.


Marx´ Ausführungen bezüglich der Wertsubstanz bieten letztlich eine Unsicherheit in der begrifflichen Kennzeichnung. Hat er sich in MEW 23, 58f in der abschließenden Bestimmung der Substanz des Werts auf die Arbeit festgelegt, so stützt sich Marx in der Urfassung dafür noch auf die Arbeitskraft:


„Der Werth der Waaren aber stellt menschliche Arbeit schlechthin dar, Verausgabung menschlicher Arbeitskraft überhaupt. (MEGA II/5, S. 24)


Die Bestimmung der abstrakten Arbeit, die Marx anstrebt, soll alle konkrete Arbeit nicht ein-, sondern ausschließen. Diese Allgemeinheit mag ihm daher eher in der zunächst nur ideell gerichteten physiologischen Kraft vorliegen, die sich in der Arbeit als immer konkreter erst verwirklicht:


„Sieht man ab von der Bestimmtheit der produktiven Tätigkeit und daher vom nützlichen Charakter der Arbeit, so bleibt das an ihr, daß sie eine Verausgabung menschlicher Arbeitskraft ist. ... Schneiderarbeit und Weberei, obgleich qualitativ verschiedne produktive Tätigkeiten, sind beide produktive Verausgabung von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv, Hand u. s. w., und in diesem Sinn beide menschliche Arbeit. Es sind nur zwei verschiedne Formen, menschliche Arbeitskraft zu verausgaben. (MEW 23, 58f)

„Alle Arbeit ist einerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn, und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder abstrakt menschlicher Arbeit bildet sie Warenwert.“ (MEW 23, S.61)


2. Arbeit, Arbeitskraft und das geschaffene Wertquantum


Quantitativ bestimmt sich nach Marx der Wert der Waren gemäß dem zeitlichen Aufwand für ihre Herstellung:


„Wir kennen sein Größenmaß. Es ist die Arbeitszeit.“ (´Das Kapital´, 1867, MEGA II/5, S.21)


Dabei verfährt Marx aber nicht konsistent, sondern er konstruiert einige Unterschiede und Widersprüche.


Als quantitativ wertbestimmend lässt er nicht jede individuelle Arbeitszeit gelten, sondern letztlich nur den gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeitaufwand:


„Es ist also nur das Quantum gesellschaftlich notwendiger Arbeit oder die zur Herstellung eines Gebrauchswerts gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, welche seine Wertgröße bestimmt.“ (MEW 23, 54).


Soweit da von der Wertmenge aller Arbeitsprodukte, dem zeitlichen Aufwand der gesamten gesellschaftlich notwendigen Arbeit die Rede sein soll, ist dem nicht zu widersprechen. Marx bezieht sich in seiner Darstellung auf die Produktion von Gegenständen, die alle gesellschaftlich gebraucht und nachgefragt sind. Damit kann sich die dafür notwendige Arbeitszeit auf alle Arbeitszeit beziehen, die für gesamte Gebrauchswertherstellung notwendig ist. Sowohl die schnelle als auch die langsame Arbeit, aber auch einfache wie komplizierte Arbeit sind dafür gleich notwendig. Ein durchschnittlicher Arbeitszeitanteil für die einzelne Ware ergibt sich nur rückblickend und rein rechnerisch. Wie viel Arbeitszeit in jeder einzelnen Ware steckt, ist und bleibt für den Gesamtwert unerheblich. Ihre Durchschnittlichkeit ist der einzelnen Arbeit zur Herstellung einer Einzelware in ihrem Beitrag zur Gesamtarbeit von daher nicht abgefordert.


Marx formuliert das allerdings zumindest widersprüchlich:


„Es könnte scheinen, daß, wenn der Wert einer Ware durch das während ihrer Produktion verausgabte Arbeitsquantum bestimmt ist, je fauler oder ungeschickter ein Mann, desto wertvoller seine Ware, weil er desto mehr Zeit zu ihrer Verfertigung braucht.“ (MEW 23, 53)


Dem setzt er entgegen:


„Die Arbeit jedoch, welche die Substanz der Werte bildet, ist gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung derselben menschlichen Arbeitskraft.“ (MEW 23, 53)


Diese Durchschnittlichkeit an Zeitaufwand meint er in der Folge nicht nur jeder einzelnen Arbeit abfordern zu können und zu müssen. Auch für die Substanz der Arbeitskraft soll nach Marx diese Durchschnittlichkeit gelten, obwohl sie für sich als statische Potenz gar keine Zeitdimension haben kann:

„Jede dieser individuellen Arbeitskräfte ist dieselbe menschliche Arbeitskraft wie die andere, soweit sie den Charakter eines gesellschaftlichen Durchschnitts-Arbeitskraft besitzt und als solche gesellschaftliche Durchschnitts-Arbeitskraft wirkt, also in der Produktion einer Ware auch nur die im Durchschnitt notwendige oder gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit braucht.“ (MEW23, 53)

Für diese Winkelzüge gibt es einen systematischen Grund bei Marx:

Marx ist es zumindest im ersten Band von ´Das Kapital´ zum Teil auch um die Arbeit zu tun, die in der einzelnen Ware verkörpert ist. Die einzelne Arbeit und die dafür verwendete Zeit kann ihm für die Bestimmung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit nicht genügen. Aber auch die gesellschaftlich notwendige Arbeit in ihrer Konkretion will er dafür nicht gelten lassen.

Marx möchte in seiner Darstellung den Tauschwert der Einzelware dennoch quantitativ als Erscheinung des Werts aussehen lassen. Von daher lässt er besondere produktive Eigenschaften, die im Menschen vorliegen, seine besonderen Kenntnisse, Fertigkeiten und gar Charaktereigenschaften („faul“), sich im Tauschwert seiner Produkte auswirken. Der Zeitaufwand bei der Arbeit allein gilt ihm damit als nicht mehr allein ausschlaggebend für die im Tausch verwirklichte Wertgröße.

Unter anderem befindet er einerseits eine „ ...Verausgabung einfacher Arbeitskraft“, die damit gegebene „einfache Durchschnittsarbeit“ gilt ihm anderseits unterschieden von komplizierter Arbeit. Diese letzte fasst er


„als potenzierte oder vielmehr multiplizierte einfache Arbeit, so daß ein kleineres Quantum komplizierter gleich einem größeren Quantum einfacher Arbeit.“ (MEW 23, 59).


Marx gibt hier also die Bestimmung der Wertgröße allein durch die für die Herstellung aufgewandte gesellschaftliche Arbeitszeit auf zugunsten von qualitativen Eigenschaften der besonderen Arbeitskraft, die eigentlich für die Gebrauchswertschaffung reserviert waren6.


Nicht zuletzt kann gegen die Marxsche Gleichsetzung des quantitativen Tauschwerts einer einzelnen Ware mit der darin verkörperten Wertmenge auch vorgebracht werden, dass er doch beansprucht, die Ware als kapitalistisch produzierte vorzustellen. Bei kapitalistischer Produktion erfolgt aber, wie Marx selbst – allerdings auf Grundlage der Werte – entwickelt, die Zirkulation zu Produktionspreisen, also nach dem Kriterium gleicher Verwertung, nicht mehr des gleichen Arbeitsaufwandes.


Alles in Allem bemüht Marx also Besonderheiten der individuellen Arbeit für die Bestimmung des allgemeinen gesellschaftlich geltenden Warenwerts und bringt sie auch wieder zum Verschwinden, weil er diesen gesamtgesellschaftlichen Wert als im Tauschwert der einzelnen Ware unmittelbar erscheinend aussehen lassen will.



II. Mehrarbeit durch Warentausch


Diese genannten Unterscheidungen zwischen der Arbeit, der Arbeitskraft, und deren Substanz im Menschen, sowie ihr Gebrauch oder Verbrauch ist für die von Marx verfolgte gesamtgesellschaftliche Wertbestimmung letztlich ohne entscheidende Bedeutung. Etwas komplizierter stellt sich das bei der Lohnarbeit dar.


1. Arbeitskraft als Ware


Auf der Grundlage eines Tauschs der Waren zu Werten versucht Marx die kapitalistische Mehrarbeit als Mehrwert zu entwickeln, der in mehr Tauschwert der neu produzierten Waren erscheint.


„Die Verwandlung des Geldes in Kapital ist auf Grundlage dem Warentausch immanenter Gesetze zu entwickeln, so daß der Austausch von Äquivalenten als Ausgangspunkt gilt.“ (MEW23,180)


Ausgangspunkt für Marx´ Kategorie des Lohns ist die Zirkulation der Waren zu ihren Werten. Das ist empirisch nicht korrekt, sondern verdankt sich in Marx´ Systematik dem Argumentationsstand bei der Ware, vor der Entwicklung des Kapitals. Es ist ihm darum zu tun, das Kapital systematisch damit erst zu entwickeln.

Was der Arbeiter auf dem Markt veräußert, soll nach Marx ebenfalls eine Ware sei, die wie die anderen Waren zu ihrem Wert verkauft wird.


Die Darstellung von Marx hebt an mit der „allgemeinen Formel des Kapitals”. Der Inhalt, den Marx hier vorstellt7, besteht aber nicht in Geld gleicher Quantität wie bei Tausch, sondern in seiner Vermehrung: G – (W) – G´. Das Mehr an Wert bzw. Geld soll aus diesem Formwechsel des Werts erwachsen.

Die Form des dabei statt-habenden Warentauschs zu gleichen Werten kontrastiert nach Marx mit diesem Inhalt der wert-vermehrenden Zirkulation:


Werden Äquivalente ausgetauscht, so entsteht kein Mehrwert, und werden Nicht-Äquivalente ausgetauscht, so entsteht auch kein Mehrwert. Die Zirkulation oder der Warentausch schafft keinen Wert.“ (MEW 23, 177 f)


Die Produktion kann diese Vermehrung von Wert ebenfalls nicht erklären:


Kann aber der Mehrwert anderswoher entspringen als aus der Zirkulation?... Außerhalb derselben steht der Warenbesitzer nur noch in Beziehung zu seiner Ware. Was ihren Wert angeht, beschränkt sich das Verhältnis darauf, dass sie ein nach bestimmten Gesetzen gemessenes Quantum seiner eignen Arbeit enthält... Der Warenbesitzer kann durch seine Arbeit Werte bilden, aber keine sich verwertenden Werte... Es ist also unmöglich, daß der Warenproduzent außerhalb der Zirkulationssphäre, ohne mit anderen Warenbesitzern in Berührung zu treten, Wert verwerte und daher Geld oder Ware in Kapital verwandle.

Kapital kann also nicht aus der Zirkulation entspringen, und es kann ebensowenig aus der Zirkulation nicht entspringen. Es muß zugleich in ihr und nicht in ihr entspringen.“ (MEW 23, 179f)


Wie ein Prozess dieser Art mehr Wert nach sich ziehen kann, liegt nach Marx in der besonderen Qualität eines bestimmten in der Zirkulation erstandenen Gebrauchswerts:


Die Veränderung muß sich also zutragen mit der Ware, die im ersten Akt G – W gekauft wird, aber nicht mit ihrem Wert, denn es werden Äquivalente ausgetauscht, die Ware wird zu ihrem Werte bezahlt. Die Veränderung kann also nur entspringen aus ihrem Gebrauchswert als solchem, d.h. aus seinem Verbrauch. Um aus dem Verbrauch einer Ware Wert herauszuziehn, müßte unser Geldbesitzer so glücklich sein, innerhalb der Zirkulationssphäre, auf dem Markt, eine Ware zu entdecken, deren Gebrauchswert selbst die eigentümliche Beschaffenheit besäße, Quelle von Wert zu sein, deren wirklicher Verbrauch also selbst Vergegenständlichung von Arbeit wäre, daher Wertschöpfung. Und der Geldbesitzer findet auf dem Markt eine solche spezifische Ware vor – das Arbeitsvermögen oder die Arbeitskraft.“ (MEW 23,181)


Diese letzte Aussage – dass das Arbeitsvermögen als Ware gehandelt wird – hat keinen systematischen Stellenwert in dem Sinne, dass sie eine logische Notwendigkeit für die Ware Arbeitskraft begründet. Marx bringt sie vielmehr als ein empirisches Phänomen vor. Die Ware Arbeitskraft gilt ihm als Bedingung für die kapitalistische Verwertung, ohne die sie nicht möglich ist. Marx stellt lediglich fest, dass diese Bedingung tatsächlich erfüllt ist.

Dieses Manko berührt Marx´ Anspruch auf logisch aufeinander aufbauende Kategorien. Weil der Lohnarbeiter historisch tatsächlich vorkommt, kann diese Bedingung immerhin als erfüllt angenommen werden, und sie kann zur Grundlage für weiterer Überlegungen herangezogen werden.8


Mit der Fassung der Arbeitskraft als Ware und ihrem willentlichen Vollzug als solcher handelt sich Marx allerdings verschiedene Widersprüche ein.



2.1. Gegenstand des Verkaufs bei der Lohnarbeit


a. Die Möglichkeit zur Arbeit


Gegenstand der Verhandlung und des Austauschs, der der Verwertung zugrunde liegt und als solcher vom Arbeiter in die Zirkulation eingebracht wird, ist nach Marx die Arbeitskraft. Damitkönnte man sich als getauschten Gegenstand eine Möglichkeit, oder eineFähigkeit vorstellen, wie bei den Tauschtransaktionen der anderen Revenuen.



„Die Arbeitskraft verwirklicht sich jedoch nur durch ihre Äußerung, betätigt sich nur in der Arbeit.“ (MEW 23, 185)


Es geht hier um das bestimmte Vermögen zur Arbeit, dessen ihm inhärente Verwirklichung ansteht.

Arbeitskraft selbst wäre somit wie die Kräfte bei den anderen Einkommensquellen, Kaufkraft und Naturkraft (und wie Kraft generell9) gerade ohne Existenz, ein ideelles Ding und nur vorgestelltes Konstrukt eines noch-nicht-wirklich gewordenen, das als Warengegenstand vorgestellt sein mag.



b. Die Substanz der Arbeitskraft


Wie bei den anderen Kräften der kapitalistischen Produktion liegt dieser Arbeitskraft allerdings eine existierende Substanz zugrunde. Bei der Kaufkraft ist es das Wertkristall Geld, bei der Naturkraft die Natur. Die der Arbeitskraft zugrundeliegende Substanz ist die im Menschen angelegte Lebendigkeit, zum Stoffwechsel mit der Welt, zur Erhaltung und Gestaltung seines Lebens (vgl. MEW23, 181).


Denn der Gebrauchswert, den er anbietet, existiert nur als Fähigkeit, Vermögen seiner Leiblichkeit; hat kein Dasein außerhalb derselben.“ (GR 193)


Marx will diese Leiblichkeit und Lebendigkeit des Menschen aber ausdrücklich nicht als Gegenstand nehmen, der zur Veräußerung herangezogen wird. Von seinem Ausgangspunkt in der Ware ist es ihm darum zu tun, die Veräußerung auch bei der Lohnarbeit als Tausch darzustellen. Die Leiblichkeit und Geistigkeit des Menschen in seiner Gesamtheit kann diesem Tausch im Sinne einer endgültigen Veräußerung in der Tat gerade nicht unterliegen:


„Die Fortdauer dieses Verhältnisses erheischt, daß der Eigentümer der Arbeitskraft sie stets nur für bestimmte Zeit verkaufe, denn verkauft er sie in Bausch und Bogen, ein für allemal, so verkauft er sich selbst, verwandelt sich aus einem Freien in einen Sklaven, aus dem Warenbesitzer in eine Ware.“ (MEW 23. 182)


Verkauft und erstanden kann aber nach Marx auch nicht die bestimmte Arbeit in ihrer Wirklichkeit. Denn:


„Um als Ware auf dem Markt verkauft zu werden, müßte die Arbeit jedenfalls existieren, bevor sie verkauft wird...“ (MEW 23, 558)



c. Verkauf von verbrauchter Arbeitskraft


Gebrauchswert und verkaufter Gegenstand kann also nach der marxschen Darstellung an dieser Stelle letztlich nur die Dienstbarkeit oder Verfügbarkeit eines Menschen sein. Wenn damit nicht nur die ideelle Zweckbestimmung der Arbeitspotenz gemeint sein soll, muss es Marx um die Substanz der Arbeitskraft im Menschen gehen, zumindest um die Teile, die einem Verbrauch unterliegen. Die nicht verbrauchten Teile dieser Substanz erfahren nur einen Gebrauch und sind auf keinen Fall endgültig veräußert.


Die Fassung dieses Gebrauchs als Verkauf stellt sich in der marxschen Darstellung der kapitalistischen Mehrarbeit als Mehrwert eines Einzelkapitals dennoch als sinnvoll und unvermeidlich dar. Dagegen kann das gesamtgesellschaftliche Prinzip Mehrarbeit sich auch ohne Verkaufsakt in Mehrwert als summarisches Ergebnis zeigen. Dafür ist nur notwendig, dass Arbeitskraft zur Verfügung steht, deren Herstellung und Erhalt weniger Arbeit erfordert als sie an Arbeit leistet. Die Art der Veräußerung ist dafür unerheblich, auch in seiner Einzelheit.


Mit der Bebilderung der Veräußerung der Arbeitskraft am Tagelöhner lässt Marx nur den verbrauchten Anteil der Arbeitskraft in die Verkaufstransaktion einfließen und befördert dadurch Missverständnisse.


„Durch ihre Betätigung, die Arbeit, wird aber ein bestimmtes Quantum von menschlichem Muskel, Nerv, Hirn usw. verausgabt, das wieder ersetzt werden muß.“ (MEW 23, 185)


Dass das von Marx nicht am einzelnen Menschen vorgehend gemeint ist, erhellt sich in seinen Ausführungen nicht nur zur Reproduktion, sondern zur Herstellung der Arbeitskraft und ihrer Schaffung wie Erhalt als Klasse.


„Die Summe der zur Produktion der Arbeitskraft notwendigen Lebensmittel schließt also die Lebensmittel der Ersatzmänner ein, d.h. der Kinder der Arbeiter, so daß sich die Race eigentümlicher Warenbesitzer auf dem Warenmarkte verewigt.“ (MEW23, 186)


Seine Argumentation reicht aber auch damit nicht über die Kompensation des verbrauchten Anteils an der Gesamtarbeitskraft hinaus, im Sinne des Erhalts dieser Gesamtarbeitskraft für die kapitalistische Produktion.



2.2. Gegenstand des Kaufs bei der Lohnarbeit


Zunächst gilt Marx die Arbeitskraft als für sich verkaufte Ware. Er betont aber auch ihre Besonderheit, die sie von anderen Waren unterscheidet, dass ihr Gebrauch etwas anderes darstellt als sie selbst bzw. ihr Gebrauchswert als nur Möglichkeit zur Arbeit:


„Die eigentümliche Natur dieser spezifischen Ware, der Arbeitskraft, bringt es mit sich, daß mit der Abschließung des Kontrakts zwischen Käufer und Verkäufer ihr Gebrauchswert noch nicht wirklich in die Hand des Käufers übergegangen ist.“ (MEW 23, 188)

„Die Veräußerung der Kraft und ihre wirkliche Äußerung, d.h. ihr Dasein als Gebrauchswert, fallen daher der Zeit nach auseinander.“ (MEW 23, 188)


Mit dem Erstehen der Arbeitskraft erhält der Unternehmer den Gebrauch der lebendigen Arbeit im Zeitverlauf; und diese Arbeit gibt letztlich auch der Arbeiter.


Der Gebrauchswert, den letztrer (der Geldbesitzer, H.H.) seinerseits im Austausch erhält, zeigt sich erst im wirklichen Verbrauch, im Konsumtionsprozeß der Arbeitskraft.“ (MEW 23, 189, und weitere Stellen)


Der nach Marx mit der Arbeitskraftim Resultat erstandene, also gekaufte Gegenstand bespricht Marx also unterscheidend von dem nach Marx verkauften Gegenstand, zumindest in Bezug auf den Gebrauchswert.


Allerdings: Der Unternehmer hat mit der Arbeitskraft als reine Möglichkeit zur Arbeit nichts in Händen, und wird sich hüten, sie in dieser Idealität zu erstehen. Er wird sich in einer Transaktion doch einen Faustpfand für die Wirklichkeit dieser Arbeit sichern, und damit die Substanz dieser Arbeitskraft.



2.3. Identität des bei der Lohnarbeit gehandelten Gegenstands


Marx stellt damit die Arbeitskraft in dieser Sphäre der logischen Entwicklung des Kapitals in zwei Daseinsformen vor, einerseits in ihrer Substanz und deren Potenz, andererseits in deren Verwirklichung. Damit will er zeigen, wie Mehrarbeit als Mehr an Wert entsteht, durch diesen Handelsakt.

Mit der Differenz zwischen den beiden Gegenständen wird allerdings deutlich, dass ein willentlicher Tauschakt, der sich auf ein und denselben Gegenstand bezieht, gar nicht vorliegen kann. Marx betont auch, dass der Inhalt des Bewusstseins der Akteure des Lohnarbeitsverhältnisses sich von den wesentlichen Transaktionen unterscheidet. Hier rächt sich allerdings, dass Marx die Schritte zur Mehrwertbestimmung überhaupt durch Willensakte eines Tauschs initiiert aussehen lassen will, um sie dem Leser zu verdeutlichen.

In der Regel werden die Ausführungen von Marx zu Transaktion und Willensinhalt beim Arbeitsvertrag nur nacherzählt und nicht auf ihren logischen Gehalt überprüft. Allerdings kommen doch manchmal Zweifel und Kritik auf bzgl. ihres Inhalts. Systematisch und mit Bezug auf die logische Entwicklung bei Marx wird dem kaum und nicht stringent nachgegangen. Schlussfolgerungen auf das Subjektsein des Lohnarbeiters werden überhaupt nicht gezogen.10


In den Grundrissen bringt Marx das Missverhältnis in der Abmachung zwischen Kapitalisten und Lohnarbeiter noch zum Ausdruck:


„ I m  A u s t a u s c h  z w i s c h e n  K a p i t a l   u n d  A r b e i t  i s t  d e r  e r s t e  A k t  e i n   A u s t a u s c h ,

 f ä l l t  g a n z  i n   d i e  g e w ö h n l i c h e  Z i r k u l a t i o n; der z w e i t e   i s t  e i n   q u a l i t a t i v   v o m 

A u s t a u s c h  v e r s c h i e d n e r  P r o z e ß , u n d  e s   i s t  n u r   b y  m i s u s e , d a ß  e r   ü b e r h a u p t 

A u s t a u s c h  irgendeiner Art genannt werden könnte.“ (GR 186)

  „… was der Kapitalist in diesem einfachen Austausch erhält, ist ein Gebrauchswert: Disposition über fremde Arbeit.“ (GR 193)


Man könnte die willentliche Transaktion, die Marx bei der Lohnarbeit vorbringt, damit als unmöglich oder als schlichte (absichtliche oder zufällige) Täuschung nehmen.11

Marx hat in „Das Kapital“ vermutlich diese Art einer willentlichen Transaktion gewählt, um die verschiedenen Einkommen, insbesondere die scheinbar aus dem Nichts entstehende Einkommensart Zins (ΔG, aus G – G´), mit einem zugrunde liegenden und initialen Tausch von Äquivalenten zu kontrastieren. Darüber hinaus gibt es verschiedene Hinweise, dass er die Sphäre des Tauschs schon als realen Schein der bürgerlichen Welt nahm, und (hier in den Grundrissen) auch die rechtlich-politischen Qualitäten der bürgerlichen Menschen sehen wollte:


  „… der Austausch von Tauschwerten ist die produktive, reale Basis aller G l e i c h h e i t und F r e i h e i t .“ (GR 156)12


Auch wenn man mit Marx so hinnimmt, dass im Tausch der Arbeitskraft gegen Geld auch die Arbeit in ihrer Leistung mit veräußert ist, stellt sich für dieses zentrale Theorem von Marx dennoch nicht nur die Frage, was mit dieser Arbeitskraft von den Protagonistengefasst wird. Es ist auch das Thema eröffnet, mit welcherwillentlichen Transaktion diese Veräußerung vollzogen wird.



2.4. Die Lohnform nach Marx


Marx ist sich der Differenz zwischen dem Gegenstand des verkauften und des gekauften Gehalts bei der Lohnarbeit bewusst. Auf diese Differenz kommt es ihm gerade an, aus ihr entsteht in begrifflicher Hinsicht das Mehr an Arbeit und das in der Sphäre des Kapitals erzielte Mehr an Wert.

Er löst in ´Das Kapital´ diesen Widerspruch, indem er den Verkauf der Arbeitskraft als wesentliches Moment jenseits von Willensakten kennzeichnet, während die Arbeit und ihre Transaktion ihm nur die Erscheinungsform dieses Verkaufs der Arbeitskraft ist.


„Verwandlung von Wert resp. Preis der Arbeitskraft in Arbeitslohn.“

„Auf der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheint der Lohn des Arbeiters als Preis der Arbeit, ein bestimmtes Quantum Geld, das für ein bestimmtes Quantum Arbeit gezahlt wird.“ (MEW23, 557)


Dass in Marx´ Argumentationen eine Kategorie eine sie verändernde Entwicklung durchmacht, ist nichts ungewöhnliches. So ist ihm die Arbeit zwar essentielles Element, sie wandelt sich aber in der gesellschaftlichen Durchschnittlichkeit zum Wert der Produkte, und dieser verteilt sich über den Markt als Tauschwert auf die einzelnen Waren. Auch die Mehrarbeit erfährt über den Mehrwert eine Verwandlung in Zins, Rente und Unternehmerlohn. Der mit sich identische Inhalt der jeweiligen Kategorie erhält im Laufe der Argumentation lediglich eine andere Form, wie er im tatsächlichen Leben vorkommt. Die erscheinende, und von den Menschen empirisch vollzogene und erfahrene Form erfährt durch das andere, das Wesensmoment gerade eine erklärende Begründung.


Bei der von Marx beanspruchten Formverwandlung der Ware Arbeitskraft zur Ware Arbeit ist diese Entwicklung allerdings zwiespältig und anders gemeint. Arbeitskraft äußert sich zwar in Arbeit, und ist die Wirklichkeit, das Dasein dieser Arbeitskraft. Es bleibt aber notwendig eine Differenz zwischen beiden Inhalten erhalten. Was Marx hier mit dem Erscheinen der Arbeitskraft als Arbeit im Tauschprozess kennzeichnet, ist mehr eine Täuschung, der die Menschen anheimfallen.

Letztlich hat der Unternehmer die Arbeit zu seiner Verfügung, und der Lohnarbeiter tätigt die Arbeit, obwohl die Arbeit selbst nach Marx gerade nicht Inhalt der willentlichen Transaktion gewesen sein kann. Sie selbst kann nicht verkauft worden sein, der Lohnarbeiter hat nach Marx nur die Arbeitskraft verkauft. Im materiellen Resultat mag für den Unternehmer der Lohn letztlich eine Zahlung für die Arbeit sein. Auch der Lohnarbeiter kann der Illusion anhängen, er würde für die Arbeit bezahlt.

Dieser täuschende Sachverhalt beim Lohnverhältnis mit Veräußerung der Arbeit soll nach Marx aber den weiteren Verlauf des Willensverhältnisses der menschlichen Träger von Kapital und Arbeit bestimmen:


Auf dieser Erscheinungsform, die das wirkliche Verhältnis unsichtbar macht und grade sein Gegenteil zeigt, beruhn alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie des Kapitalisten, alle Mystifikationen der kapitalistischen Produktionsweise, alle ihre Freiheitsillusionen, alle apologetischen Flausen der Vulgärökonomie.“ (MEW 23, 562)



2.5. Der “Wert der Ware Arbeitskraft”


Die entscheidende Bestimmung des zwischen beiden Kontrahenten verhandelten Gegenstands liegt nach Marx nicht in der Identität bzw. Nichtidentität der übertragenen Sache. Vielmehr bestimmt der erhandelte Tauschwert der Arbeitskraft im Verhältnis zu der im lebendigen Arbeitsprozess dann zu schaffenden Wertgröße sprich Tauschwert über die Adäquatheit für den kapitalistischen Zweck. Die geschaffene Wertmenge ist durch die Summe aller produzierten Warenwerte bestimmt, die Differenz zur wertmäßigen Aufwendungen für die Löhne ergibt dann den Mehrwert.


Um nachzuweisen, dass Verwertung von Wert in den Formen des äquivalenten Tauschs von Werten vor sich geht, bemüht sich Marx, auch einen Wert für diese Arbeitskraft zu bestimmen. Dabei nimmt er verschiedene Widersprüche in Kauf.


Gleich allen anderen Waren besitzt sie einen Wert. Wie wird er bestimmt? Der Wert der Arbeitskraft, gleich dem jeder andren Ware, ist bestimmt durch die Produktion, also auch Reproduktion, dieses spezifischen Artikels notwendige Arbeitszeit.“ (MEW 23, 184)


Als diese Anlage zur Arbeit müsste die Lebenshaltungskost einschließlich Aufzucht und Erziehung bis zur fertigen und handelbaren Arbeitskraft in dieser Produktionskost in irgendeiner Form enthalten sein. Marx bestimmt jedoch diese Produktionskost zunächst weiter lediglich als die Kost der täglich verbrauchten Arbeitskraft, als Reproduktionskost der individuellen Arbeitskraft, also als die Kost ihrer Erhaltung in einer befristeten Zukunft:


Ihre Produktion setzt also seine Existenz voraus. Die Existenz des Individuums gegeben, besteht die Produktion der Arbeitskraft in seiner eigenen Reproduktion oder Erhaltung. Zu seiner Erhaltung bedarf das lebendige Individuum einer gewissen Summe von Lebensmitteln. Die zur Produktion der Arbeitskraft notwendige Arbeitszeit oder der Wert der Arbeitskraft löst sich also auf in die zur Produktion dieser Lebensmittel notwendige Arbeitszeit oder der Wert der Arbeitskraft ist der Wert der zur Erhaltung ihres Besitzers notwendigen Lebensmittel.“ (MEW 23, 185)


Die Bemühungen von Marx, neben dieser Tagelöhnerform des Lohns eine „letzte Grenze oder Minimalgrenze des Werts der Arbeitskraft“ (MEW 23, 187) zu bestimmen, kommen ebenfalls über diese Re-Produktionskosten nicht hinaus.


Der Wert dieser Arbeitskraft erhält von Marx darüber hinaus die Bestimmung, die Reproduktion von gesamtgesellschaftlich notwendiger Arbeitskraft jenseits der Reproduktion des einzelnen Arbeiters und der täglich vernutzten Arbeitskraft sicherzustellen.

Damit ist er Reproduktionskost der Arbeiter als Klasse und des Arbeiters als Teil derselben nach den Erfordernissen der verwertenden Reproduktion. Auch damit gehen nur die vom Arbeiter gekauften Lebensmittel in ihrer Kosthöhe ein, nicht die gesamte dafür verausgabte Arbeit:


Der Eigentümer der Arbeitskraft ist sterblich. Soll also seine Erscheinung auf dem Markt eine kontinuierliche sein, wie die kontinuierliche Verwandlung von Geld in Kapital voraussetzt, so muß der Verkäufer der Arbeitskraft sich verewigen....Die Summe der zur Produktion der Arbeitskraft notwendigen Lebensmittel schließt also die Lebensmittel der Ersatzmänner ein, d.h. der Kinder der Arbeiter, so daß sich diese Race eigentümlicher Warenbesitzer auf dem Warenmarkte verewigt.“ (MEW 23, 185 f)


Damit ist die Kost der familiären Reproduktion von Arbeitern enthalten, also der Arbeiterschaft mit bedacht, die für die dauerhafte kapitalistische Produktion notwendig ist. Dennoch kann alles in allem von einer Bestimmung des Werts dieser Arbeitskraft im Sinne der in die Produktion dieser Ware eingegangene oder dafür notwendige Arbeitszeit weder bzgl. der individuellen Arbeitskraft noch der Arbeitskraft als gesamtgesellschaftlich bestimmte gesprochen werden.

Nicht nur sind bestimmte Elemente davon ausgenommen, unterliegen nicht einer wertmäßigen Produktion, wie das Gebären und die Aufzucht der Kinder. Hinzu kommt, dass im weiteren Verlauf der Marxschen Argumentation für die Arbeitskraft ein Tausch zu Werten behauptet wäre, obwohl die Konsumtionsmittel, die nach Marx in die Wertbestimmung eingehe, zu Produktionspreisen erstanden wurden13. Nicht zuletzt könnte noch das Argument bedacht werden, dass alle Arbeit, die in den Menschen eingeht, in ihm eine Konsumtion erfährt und als diese Arbeit verschwindet und deshalb Arbeit am Menschen in ihm in keinem Fall zu einem Wert gerinnt. Arbeitskraft mag dennoch mit einem Tauschwert oder Preis erfasst werden können, und so in die Gewinnkalkulation des einzelnen Kapitalisten wie auch in die Mehrarbeitskalkulation des Gesamtkapitals eingehen.14




III. Lohnarbeit ist der Verleih des Menschen gegen Geld


Die erscheinende Oberfläche von gesellschaftlicher Arbeit und Mehrarbeit mag eine Illusion befördern bezüglich dessen, was mit der Arbeitskraft übertragen wird. Bei genauerem Hinsehen klärt sich die willentlich getragene Form der Transaktion dieser Arbeitskraft.


1. Lohnarbeit ist Verleih


Die Ausführungen von Marx zu Tauschverhältnissen bei der Lohnarbeit sind für die Sphäre des sachlichen Kapitals als widersprüchlich ausgewiesen. An der Oberfläche der bürgerlichen Ökonomie, wo Willensverhältnisse zum Tragen kommen, wird bei der Transaktion zwischen Unternehmer und Lohnarbeiter aber durchaus etwas übertragen, dessen Gegenständlichkeit für beide Seiten der Abmachung identisch ist. Auch in der hier geltenden Veräußerung ist ein Mehr an Arbeit möglich, und wird vom Gesamtkapital als Mehr an Wert erwirtschaftet – worauf es Marx als Essenz des Kapitals ankommt.

Die Veräußerung, die der Lohnarbeiter hier von sich vornimmt, kann aber, wie Marx betont, nicht endgültig sein. Der Lohnarbeiter stellt sich als Gegenstand nur auf Zeit zur Verfügung: Verleih.

Marx sieht das zwar genauso – er zieht es aber vor, diesen Sachverhalt eines Verleihs dennoch als Tausch darzustellen:


Die Fortdauer dieses Verhältnisses erheischt, daß der Eigentümer der Arbeitskraft sie stets nur für bestimmte Zeit verkaufe, ... Er als Person muß sich beständig zu seiner Arbeitskraft als seinem Eigentum und daher zu seiner eigenen Ware verhalten, und das kann er nur, soweit er sie dem Käufer nur vorübergehend, für einen bestimmten Zeittermin, zur Verfügung stellt, zum Verbrauch überläßt, also durch ihre Veräußerung nicht auf sein Eigentum an ihr verzichtet.“ (MEW 23,182)


Engels hat in seiner Einleitung zu Marx´ „Lohnarbeit und Kapital“ in der Ausgabe von 1891 eine andere bzw. differenziertere Transaktionsform zumindest angesprochen:

„Er vermietet resp. verkauft seine Arbeitskraft.“ (MEW 6, 597).

Mit dieser unentschiedenen Einlassung zur Transaktionsform klärt Engels die Art der Veräußerung aber gerade nicht.

Der von Marx angeführte Kauf und Verkauf ´über einen bestimmten Zeitraum´ ist dagegen in jedem Fall eine Verunklarung des dabei vollzogenen Willensakts. Wenn etwas verkauft wird, dann ist es auch aus der Hand gegeben und muss zur Wiederverfügung erneut erstanden werden. Ist es darüber hinaus in dieser Zeit „verbraucht“, ist es verschwunden und kann nicht wieder ge- oder verkauft werden. Marx formuliert hier also Bestimmungen des Lohnarbeitsverhältnisses, die in sich widersprüchlich sind.

Allein bei einem Verleih bleibt mit der Veräußerung und während des materiellen Gebrauchs durch andere ein Verfügungsverhältnis bestehen.



2. Verleih betrifft den ganzen Menschen


Bei einem Verleih des Menschen ist zugleich eindeutig die von ihm zu tätigende Arbeit im Verlauf mit übertragen. Die lebendige Arbeit wird aktiv und tatsächlich vom Arbeiter vollzogen und ist am Ende des Arbeitsprozesses erledigt und im Endergebnis des Produkts verschwunden. Die Arbeit selbst kann bei einem Verleih nicht der verhandelte Gegenstand sein, weder von Seiten des sie äußernden Lohnarbeiters noch von Seiten des sie sich aneignenden Unternehmers.


Es geht am Sachverhalt vorbei, sich (wie Engels) einen Verleih der Arbeitskraft15 im Sinne nur der ideellen Möglichkeit zur Arbeit dabei vorzustellen. Der Wille zu Äußerung dieser Kraft wäre damit schon nicht eindeutig mit übertragen.

Soweit man mit Marx als Arbeitskraft nur den Teil der Lebendigkeit heranzieht, der verbraucht wird, ist dafür auch kein Verleih möglich. Dieser Teil der Arbeitskraft des Lohnarbeiters erschöpft sich in der Arbeit. Nach Abschluss der Produktion ist dieser Anteil der menschlichen Lebendigkeit nicht mehr existent. Für diesen Anteil liegt in der Tat eine Fassung als Verkauf nahe wie es Marx formuliert hat. Aber auch die Anteile der Arbeitskraft, die mit Marx als verbraucht, also verkauft betrachtet werden können, können vor ihrer Verausgabung nur als abstrakte Fähigkeit verkauft und verkaufbar sein. In ihrer Substanz im Menschen werden auch diese verbrauchten Anteile der Arbeitskraft kontinuierlich im konkreten Prozess der Arbeit abgegeben.

Für einem Verleih kann und muss allerdings auf jeden Fall der Anteil der menschlichen Arbeitskraftsubstanz herangezogen werden, der für den Arbeitsprozess ebenfalls, aber nur gebraucht wird. Für diesen Teil der Lebendigkeit des Menschen fällt Lohn als Leihgebühr an.


Hervorzuheben bleibt, dass für die tatsächliche Arbeit weder eine verkaufte noch eine verliehene Arbeitskraftsubstanz für sich allein zum Ver- oder Gebrauch übertragen werden kann. Vielmehr muss sich dafür der Mensch in seiner vollständigen Einheit in das Lohnarbeitsverhältnis und in den Arbeitsprozess hineinbegeben16. Das bedeutet darüber hinaus, dass nicht verbrauchte und ebenfalls nicht gebrauchte Lebendigkeit und Leiblichkeit im Lohnarbeitsverhältnis mit überantwortet werden muss. Bei jeder Lohnarbeit muss der Mensch als individuelles Ganzes präsent und tätig sein, als lebendige substantielle Einheit und nicht nur in von ihm abgesonderten Anteilen. Der Lohnarbeiter muss deshalb einen Verleih als ganzer Mensch erfahren, auch wenn ihm darüber nur die Arbeit abverlangt wird und gemäß Abmachung werden kann.



3. Einkommen durch Verleih des Menschen


Mit der Fassung als Verleih statt Verkauf kann also grundsätzlich die Arbeitskraft in ihrer ganzen menschlichen Substanz und Lebendigkeit herangezogen werden, ähnlich wie bei den anderen Einkommensquellen der Erscheinungsebene: Natur und Geld. Als lebendiger, aber doch Gegenstand wird der Mensch mit Haut und Haaren, und auch mit Geist und Wille, zum Gebrauch überantwortet, wenn auch mit zeitlicher Beschränkung und der eingegrenzten Zweckbestimmung Arbeit.

Über diese Transaktion bekommt der Unternehmer nicht nur eine abstrakte Fähigkeit oder Potenz zur Arbeit, sondern verfügt über den Menschen mit dessen Willen während des gesamten vereinbarten Verleihzeitraums.


In dieser willentlichen Transaktion veräußert der Mensch als Subjekt sich selbst, begibt er sich in fremde Hände, unter fremdes Kommando. Er unterwirft sich einem Willen anderen Ursprungs und Inhalts als dem eigenen. Genauer formuliert: Er macht einen ihm fremden Willensinhalt zu seinem eigenen. Damit erscheint dieses Mensch-Sein in seiner Natürlichkeit, einschließlich des Willens zur Dienstbarkeit, als Quelle der Einkommensform Lohn.


Wie bei den anderen Einkommensquellen, dem Verleih von Geld und Natur, wird damit auch beim Verleih des Menschen allein durch den Verleihakt das Einkommen, hier: der Lohn fällig, also soweit der Mensch verliehen ist und anderen Subjekten materiell zur Verfügung steht.

Im Willensakt des Verleihs stellt sich der Mensch den anderen Einkommensquellen gleich. Alle Einkommensquellen haben zwar ihre systematische Grundlage in der Verwertung, sie erscheinen im Verleih als solche aber unabhängig davon, ob Verwertung von Wert mit ihnen tatsächlich stattfindet. Wie die anderen Einkommen erscheint auch der Lohn als Resultat einer allein willentlichen Vereinbarung.

Der Mensch in seiner – lebendigen, tätigen – Natürlichkeit ist damit als Quelle des Einkommens identifiziert. Es erwächst ihm aufgrund des Menschseins, wenn auch nur, soweit er sich verliehen hat. Weil ein Verleih des Menschen Inhalt der Verabredung ist, ist damit lediglich sein Gebrauch eröffnet. Ein Verbrauch des Menschen in seiner materiellen Substanz ist damit ausgeschlossen – wenn auch nur grundsätzlich.



4. notwendiger Vorbehalt eines abstrakten Subjekts beim Akt des Verleihs


Auch wenn der Mensch sich in der Lohnarbeiterexistenz in seiner substanziellen Lebendigkeit veräußert, resultiert daraus dennoch gerade keine Sklavenexistenz.

Ein Verleih des Menschen bedarf grundsätzlich eines vom Menschen bzw. von seinem verliehenen Anteil abstrahierten Subjekts, das ein Verfügungsverhältnisses zu sich als Mensch gewährleistet und erhält. Dieses von seiner Lebendigkeit getrennte Subjekt tätigt den Willensakt des Verleihs. Mit dem initiierenden Willensakt eines Verleihs von sich erschafft der Mensch also zugleich ein abstraktes, substantiell leeres, nur ideelles Subjekt gegenüber sich selbst als Objekt. Dieses Subjekt bekräftigt und erhält sich im zeitlichen Verlauf des Verleihs in seiner eigenen Substanzlosigkeit und reinen Idealität.


Das im Verleihprozess kontinuierlich bestehende abstrakte Verfügen über sich und damit gegebene abstrakte Subjektsein erweist sich damit als die notwendige Form des Verhältnisses des Menschen zu sich selbst, will er durch sich, seine Natürlichkeit, und für sich, also ebenfalls seine Natürlichkeit, ein Einkommen auf sich ziehen.



5. Über einen Verleih des Menschen vollzieht sich Mehrarbeit und Mehrwert


Hervorzuheben bleibt, dass hiermit ein Einwand nur gegen Marx´ Bestimmung der Art und Weise der Transaktionen auf der Erscheinungsebene zur Aneignung von Mehrarbeit formuliert ist. Die Mängel der marxschen Darstellung der Mehrarbeit über Tauschakte beim Einzelkapital legen eine alternative Systematik zu Marx´ Werk nahe.


Das Prinzip der sachlichen bürgerlichen Ökonomie: Gesellschaftlich notwendige Arbeit und Aneignung von Mehrarbeit ist in dieser anderen Systematik ausdrücklich nicht infrage gestellt17. Sowohl die Darstellung der Arbeit im Wert, als auch der Mehrarbeit als Mehrwert bleibt summarisch und bezogen auf die Gesamtökonomie erhalten. Das ist die Essenz, auf die es Marx in seiner Theorie in seinen allgemeinen Bestimmungen des Kapitals ankommt. Die in der einzelnen Ware enthaltende Arbeit ist allerdings in die Gesamtarbeit, sprich: den Gesamtwert eingegangen und im gesellschaftlichen Reichtum enthalten, und somit in ihm als einzelne aufgehoben.

In der Sphäre dieses Gesamt-Kapitals gibt sich die Mehrarbeit als ein Mehr an Wert als der (Tausch-)Wert ihrer gesamten Arbeitskraft darstellt. In der Sphäre der erscheinenden Formen des Kapitals zeigt sich die willentliche Transaktion dafür wie bei den anderen Revenueformen als ein Verleih seiner zugrundeliegenden Substanz, hier: des ganzen Menschen.

Marx Fassung der Arbeit als Quelle von Wert und Mehrwert ist damit als grundlegendes Moment der kapitalistischen Produktionsweise bekräftigt. Die im gesellschaftlich gewollten Leben ganz anders sich darstellenden Einkommensformen finden darüber eine stimmige Erklärung. Es ist ebenfalls unterstrichen, dass Mehrarbeit über einen willentlich getragenen Veräußerungsakt in Bezug auf die Arbeitskraft in ihrer Substanz stattfindet. Diesem Willensakt kann auch eine diesem Inhalt gemäße Subjektform zugeordnet werden.



IV. Eigentumsverhältnis und Person-sein des Menschen


Marx entwickelt die Kategorie des Eigentums nicht an den Erscheinungsformen kapitalistischer Verwertung, und bestimmt sie deshalb nicht über einen Verleih. Er legt den Willen zum Eigentum an der vorkapitalistischen Warenform nahe bzw. stellt ihn am Tauschakt dar, mit dem die Ware vollzogen wird.


„Um diese Dinge als Waren aufeinander zu beziehn, müssen die Warenhüter sich zueinander als Personen verhalten, deren Willen in jenen Dingen haust… Sie müssen sich daher wechselseitig als Privateigentümer anerkennen. Dies Rechtsverhältnis, dessen Form der Vertrag ist,…, ist ein Willensverhältnis, worin sich das ökonomische Verhältnis widerspiegelt. Der Inhalt diese Rechts- oder Willensverhältnisses ist durch das ökonomische Verhältnis selbst gegeben.“ (MEW23, 99)


Diesem allseits zitierten und übernommenen Übergang von Marx zum willentlichen Austauschprozess kann man entgegenhalten, dass mit dem Warengegenstand für die Menschen nur ein schlichtes Haben von Dingen gegeben ist, nicht die distanzierte und unbedingte Willensform Eigentum. Mit der Anerkennung als Eigentümer durch andere Subjekte ergibt sich gerade kein Eigentümersubjekt aus sich heraus. Das Verhalten als Person gibt einem abstraktes Subjekt am Menschen noch keine substantielle Wirklichkeit. Die besonderen rechtlichen Willensformen Eigentum und Person sind mithin aus der Ware logisch nicht zu erschließen18.


Gegen Marx´ Einlassungen zu der beim Arbeiter zugrunde liegenden Beziehung auf sich selbst bei der Teilhabe an der kapitalistischen Ökonomie ergeben sich damit Korrekturen. (Diese haben Folgen für die Bezüge der anderen Einkommensbezieher auf ihre jeweilige Revenuequelle, wie auch für alle Warenhüter in Bezug auf ihre Ware.):

Das Eigentum, das der Lohnarbeiter praktiziert, ist zwar ein Verfügen über sein lebendiges Mensch-Sein, seine umfassende materielle und geistige Existenz. Dieses Verfügen kann beim Lohnarbeiter aber nicht im Verhältnis zu seiner Arbeitskraft als einem Ding bestehen, das als Ganzes gehabt und endgültig veräußert wird. Dieses Verfügen über sich pflegt der Mensch als Lohnarbeiter auch nicht als privaten Moment, in dem er sich als den zu übertragenden Gegenstand noch materiell hat, also vor einem Verkaufsakt seiner Arbeitskraft oder auch vor der Trennung von sich im Verleih. Dieses Verhältnis gilt überhaupt nicht in Bezug auf sich, soweit er noch oder wieder über sich selbst materiell verfügt, sondern allein über den Zeitraum, in dem ein anderer Mensch materiell über ihn bestimmt.


Eigentum zeigt sich damit gerade nicht nur als privates und intimes Verhältnis gegenüber dem Warengegenstand, und es verwirklicht sich auch nicht nur negativ und zeitlich punkthaft im Verkauf dieses Gegenstands. Eigentum bei der Lohnarbeit gewinnt positiv Wirklichkeit als ein gesellschaftliches Verhältnis, nämlich im aktiven Vollzug von Verwertung.

Mit dem Einkommen Lohn und seiner Quelle ist damit das Eigentumsverhältnis als abstraktes, rein ideelles Verhältnis zu dem Gegenstand bestimmt, mit dem der Mensch am Produktions- und Verwertungsprozess teilhat.


Bei den anderen, nichtmenschlichen Einkommensquellen (und bei der Ware) kann die Seite des Eigentümers in diesem Verhältnis noch von einem Menschen aus Fleisch und Blut eingenommen werden. Revenuequellen sind auch diese Gegenstände nur durch der Verleih der jeweiligen Gegenstände. Geld, Natur und auch produzierte Gegenstände haben allerdings Existenz getrennt von den einzelnen Menschen und können materiell gehabt, besessen und endgültig veräußert werden. Bei der Einkommensquelle Mensch wird dagegen deutlich, dass hier der Eigentümer eine so handfeste materielle Gestalt nicht sein kann.

In diesem besonderen Eigentumsverhältnis des Lohnarbeiters muss der Eigentümer als reines Willens-Subjekt jenseits seiner materiellen und sonstigen geistigen Existenz vorliegen.


Beim Lohnarbeiter erweist sich der Eigentümer des Menschen als die Absonderung des Eigentümers von seinen anderen menschlichen Momenten:

Das Eigentümer-Sein gegenüber dem Menschen, d.h. die subjektive Seite des Eigentumsverhältnisses, kann nur punkthaft und rein ideell sein, da sonst die gesamte weitere Existenz des Menschen veräußert ist. Ihr beschränktes Subjekt-Sein besteht im Willen zum Eigentumsverhältnis ohne Objekt desselben, also zum Eigentumsverhältnis überhaupt, als abstrakter Selbstbezug des wollendes Subjekt, ein rein geistigen Akt19.

Dieser Willensinhalt ist damit bedingungslos, d.h. unabhängig von jeder materiellen Besonderheit des Menschen sowie dessen, was er sonst will. Dieses Eigentümersubjekt-Sein ist auch emanzipiert von den Zufälligkeiten, die allen materiellen Bezügen zur Welt zukommen. Selbst die Bestimmtheit des Eigentumsverhältnisses, also das bestimmte Objekt des Eigentumsverhältnisses, das das Eigentümer-Sein erst vervollständigt und ausmacht, ist weder Eigenschaft dieses Eigentümer-Seins noch geht es sonst irgendwie in es ein.

Dieser selbstbezogene Wille will sich rein, nackt, und darin frei, und ist so Person.

Die Eigentümer-Qualität oder personale Existenz des Menschen ist damit nicht nur für diese besondere Einkommensquelle, sondern generell bestimmt, also auch für die anderen Einkommensquellen und zugleich für alle Subjekte (gegenüber allen Objekten) der bürgerlichen Ökonomie.


Dieser abstrakte Eigentümer ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft im interessierten Umgang miteinander sich einigen oder auf den sie rechtlich verpflichtet werden müssen – soll bürgerliche Ökonomie stattfinden.



1 Die strengen Sachlichkeiten des Kapitals jenseits menschlichen Wollens beinhalten, dass die sie ausführenden Menschen der inneren Notwendigkeit dieser Sachen erliegen und zugleich ihren zugrundeliegenden Begriff nicht kennen. Das ist als „Fetisch“ geläufig und wird als fatale Ausgeliefertheit und Entsubjektivierung der bürgerlichen Menschen thematisiert. Vgl. u.a. I.Elbe/S.Ellmers/J.Eufinger (Hg.): Anonyme Herrschaft, 2012; ebenfalls entlang der Varianten von Marxismus, Peter Schulz: Das widersprüchliche Selbst, 2023. Dass und wie die bürgerlichen Menschen diese Sachlichkeiten dennoch als Subjekte, also mit Bewusstsein, Willen und im eigenen Interesse vollziehen, wird darüber gern vernachlässigt.

2 Vgl. die Neue Marx-Lektüre

3 Für die weitere Entwicklung des Begriffs der bürgerlichen Gesellschaft ist also doch die Sphäre der Menschen zu thematisieren. Arbeit und Mehrarbeit sind in keiner Weise ihr Zweck, willentlich und selbstbewusst verfolgen sie ihr Wohl. Soweit sie sich dabei aber auf die vorgegebenen Sachlichkeiten der kapitalistischen Einkommensquellen und der Waren positiv als ihre Mittel beziehen, vollziehen sie freiwillig das Prinzip „Heißhunger nach Mehrarbeit“ und seine Sachgesetze. Vgl. H.Rünzi: Mit Marx über Marx hinaus, 2019. Vgl. auch Besprechung des Buchs im Kritiknetz

4 Die Fehlerhaftigkeit der Vorstellung einer abstrakten Arbeit getrennt von aller konkreten Arbeit und die damit verbundenen Unklarheiten und Widersprüche bei Marx sind bei H.Rünzi, 51-78 ausführlich bedacht und dargestellt. „Wir haben daher immer noch keinerlei Argument, das einen Doppelcharakter der Arbeit in der Form ausschließt, dass die konkrete Arbeit sowohl gebrauchswert- als auch wertbildend ist und die gebrauchswertbildende Arbeit damit nicht nur Gebrauchswert, sondern auch Wert konstituiert.“ (H.Rünzi, 86)

5 Die Überlegungen generell zur Arbeitskraft, die sich etwa an Spinoza anlehnen, sind für die hier angestrebte Klärung ohne Bedeutung. Vgl. Peter Thomas, Labour-Power (Arbeitskraft), in: Krisis 2010, 2; R. Ciccarelli, Labour Power, Lecture Notes in Morphogenesis, https://doi.org/10.1007/978-3-030-70862-7_1

6Der Hinweis, dass die Arbeitskraft, die zur komplizierten Arbeit imstande ist, mehr Ausbildung und damit mehr Wert enthält, greift ebenfalls

nicht, weil es an dieser Stelle um die produktive Arbeit und Wertschaffung geht und nicht um Wertübertragung.

7 Es muss hier wie bei anderen Übergängen in „Das Kapital“ hervorgehoben werden, dass Marx´ Entwicklung nicht einer logischen Notwendigkeit folgt. Entgegen allen gängigen Lesarten gibt es keine Notwendigkeit, dass aus Wert Verwertung resultiert. Marx kann sich allerdings auf die empirische Existenz dieses Phänomens berufen.

8 Dass Marx auch hier eine logische Entwicklung nicht gelingt, wird doch häufig zur Kenntnis genommen, vgl. (mit Bezug auch auf andere) Michael Heinrich: Die Wissenschaft vom Wert, Münster 1999. Jenseits der nacherzählenden Darstellung und nur punkthaften Problematisierung der Marxschen Vorgehensweise kann das zum Anlass genommen werden, seine inhaltliche Systematik gänzlich in Frage zu stellen, und gegenläufig zu entwickeln. So lässt sich die Notwendigkeit der Ware und auch die Existenz des Lohnarbeiters logisch widerspruchsfrei aus dem Begriff und Prinzip der bürgerlichen Ökonomie erschließen. Siehe dazu ausführlich und logisch stringent H.Rünzi 2019.

9 Mit allein der Verdoppelung irgend eines Gegenstands – in ihn selbst auf der einen Seite wie des Triebs oder der Möglichkeit zu ihm auf der anderen Seite – kann noch keine erklärende Bestimmung dieses Gegenstand gewonnen sein. Wenn auch das Denken mit dieser Unterscheidung den Gegenstand einerseits als grundlegend für seine Verwirklichung und andererseits als von seiner Wirklichkeit getrennten nimmt. Vgl. Hegel zur Kategorie Kraft, Phänomenologie des Geistes, HW 1970, 107ff

10 Siehe z.B. und v.a. Marxisten der ehemaligen DDR:

Peter Ruben: Ist die Arbeitskraft eine Ware?, in: Heinz Eidam/Wolf-Dietrich Kowarcik (Hrsg.): Kritische Philosophie gesellschaftlicher Praxis, Würzburg 1995, S. 167-183,

Ingeborg Dummer: Die Arbeitskraft – eine Ware?, Hamburg 1997,

Thomas Kuczynski: Was wird auf dem Arbeitsmarkt verkauft?, in: Marcel van der Linden/Karl Heinz Roth (Hg.): Über Marx hinaus, Berlin/Hamburg 2009, S.363-377.

Dieses Missverhältnis war auch schon Geoffrey Kay/ James Mott: Political Order and the Law of Labour, London 1982, S.113ff, aufgefallen. Sie schlossen allerdings nur auf illusionäre Vertragsverhältnisse, wegen grundsätzlicher Inkompatibilität von Lohnarbeit und Eigentum.

Vgl. auch Joyce P. Jacobson/Gilbert L.Skillman „Labor Markets and Employment Relationships. A Comprehensive Approach“, 2004: Exchanges for labor ... are ... like leasing arrangements, in the sense that ownership in one’s capacity to work is never transferred.“, S. 148.

Vgl. auch David Ellerman: Property and Contract in Economic: The Case for Economic Democracy. , „The labor market is the market for the renting

of human beings.“ (S.66) (https://ellerman.org/wp-content/uploads/2012/12/Ellerman-Property-and-Contract-Book.pdf). Aus dem Tatbestand der

Verleih-Transaktion zieht er keine systematischen Schlüsse in Bezug auf das Rechtssubjekt. Vielmehr setzt er nur alternative unveräußerliche Rechte

dagegen. Allerdings formuliert er auf der Grundlage des Vorliegens von Verleihverträgen auch in sozialistischen Gesellschaften eine Kritik an diesen.

Siehe auch Jean-Eudes Maes-Audebert: La réception juridique de la conception marxienne de la force de travail, in „Marx e le Droit“,

Droit&Philosophie Nr. 10/ 2018, hg. von Jérôme Couillerot, Élodie Djordjevic, Mélanie Plouviez und Sabina Tortorellas; sowie Clotilde Nouët: Marx

e la ´critique du droit´. Retour sur la critique de la propiété dans le livre I du Capital, im selben Band S. 77-94

11Auch diese Lesart von Marx kommt vor; Vgl. Kilian Stein: Die juristische Weltanschauung, 2010 und 2012

12 Allerdings bestimmt Marx Freiheit und Gleichheit an dieser Stelle nicht als spezifische Willensinhalte der kapitalistischen Verwertung, sondern findet sie schon im römischen Recht verwirklicht. (GR 157)

13Vgl. H.Rünzi 2019, 346

14 „Weil die Arbeit, die individuell konsumiert wird, als Wert verschwindet, kann im Menschen gar keine wertbildende Arbeit vergegenständlicht werden.“ (H. Rünzi 2019, 387)

15 Auch diese Variante wurde schon formuliert, vgl. K.H.Roth und M.van der Linden: „...also Lohnarbeit die Vermietung von Arbeitskraft ist.“ ; „Ergebnisse und Perspektiven“, in diess., Hg: Über Marx hinaus, S. 585. Ebenfalls Geoffrey Hogdson: Capitalism, Value and Exploitation, 1984.

16 Vgl. ebenfalls Engels MEW 6, 597: „Diese Arbeitskraft ist aber mit seiner Person verwachsen und von ihr untrennbar.“, womit er den ganzen Menschen meint, nicht die Rechtsperson.

Der Gebrauchswert Arbeitskraft unterscheidet sich darin im Übrigen nicht von anderen Gebrauchswerten: Alle Gegenstände, die Träger auch von Gebrauchswert sind, müssen für den Gebrauch als ganze herangezogen werden – egal ob sie verliehen oder verkauft werden. Sie erfahren als diese Gegenstände durch den Gebrauch materiell auch keinen Verbrauch, sondern nur eine Verwandlung, selbst wenn ihr Gebrauchswert dabei schwindet.

17Entgegen der Vorstellung von K.H.Roth/M. van der Linden: „Wäre auch die Lohnarbeit ein Mietverhältnis, so würde sie also keinen Mehrwert schöpfen können.“ in diess. (Hg), Über Marx hinaus, Sie 585. Sie gehen mit Engels von einem Verleih von Wertgegenständen aus, es geht hier aber um den Verleih des Gegenstandes lebendiger Mensch, der mehr Wert schafft als er in Wert ausgedrückt kostet.

18Hier verkürzt, aber ausführlich dargelegt in Harald Haslbauer: Eigentum und Person, 2010

19 wie auch Hegel den Eigentümer vorgefunden und in seiner Rechtsphilosophie bestimmt hat. Er begründet ihn aber allein aus dem Selbstbezug

des Willens. Zur ausführlichen Beurteilung von Hegels Rechtsphilosophie vgl. H.Haslbauer: Die Freiheit eines an-und-für-sich-freien Subjekts.

Zu Hegels Grundlegung der abstrakten Rechtskategorien im Willen., im Kritiknetz 2023

Fügen Sie hier Ihren eigenen Text ein.