Harald Haslbauer:

Wie aus meinen Ausführungen hervorgeht, halte ich die so prinzipielle Ablehnung eines Grundes für das bürgerliche Rechtssubjekt und Rechtsverhältnis, der nicht in diesem selbst liegt, für einen Fehler. Diese Ablehnung damit zu begründen, dass mit der Bestimmung anderer, etwa ökonomischer Kategorien als Grund, das Rechtsverhältnis mit dem ökonomischen Verhältnis in eins gesetzt werde, ist m.E. absurd: Einen Grund für einen Gegenstand zu bestimmen, setzt gerade voraus, dass dieser vom begründeten Gegenstand verschieden ist und bleibt. Auf der anderen Seite halte ich die stattdessen angebotene analogische Bestimmung der Person ("wie Ware, so auch Person") für inhaltlich nicht hinreichend.


Sonja Buckel:

“...es ist nicht so, dass ich behaupten würde, dass Rechtssubjekt und die Rechtsform in sich selbst begründet seien - auch wenn ich verstehe, auf welche Formulierung sie  anspielen. Meine Idee war vielmehr, beide nicht aus der Ökonomie abzuleiten, sondern aus der kapitalistischen VERGESELLSCHAFTUNG oder wenn Sie so wollen, den kapitalistischen Produktionsverhältnissen im erweiterten Sinne. In dieser Vergesellschaftung besondern sich eigenlogische Sphären, die sich mit Joachim Hirsch soziale Formen nenne, und die gerade deswegen eine relationale Autonomie aufweisen. Die gemeinsamen Angelegenheiten treten den so vergesellschafteten Subjekten nicht mehr als ihre eigenen, sondern als fremde, verdinglichte und undurchschaubare, entgegen - so wie Marx dies für die Wertform gezeigt hat.“


Harald Haslbauer:

Notwendigkeiten der bürgerlichen Gesellschaft

1. „Ableitung“

Die (unsere gemeinsame) Rede von „Ableitung des Rechtssubjekts“ läßt einen ja – also zumindest mich - an Notwendigkeiten für das Rechtssubjekt denken, die nicht in ihm selbst liegen. Also: Warum gibt es das Recht, warum muss so etwas wie das Recht überhaupt sein ?
Unterstellt wäre also schon, dass etwas anderes die Existenz dieses Phänomens bestimmt. Und nicht im Sinne nur der Modulation des einfach als tatsächlich und vorhanden genommenen Rechtssubjekts, sondern überhaupt, in dem Sinne, dass dieses Phänomen Rechtssubjekt nicht ohne seinen mit der Ableitung identifizierten Grund Existenz hätte.
Oder anders ausgedrückt: Dass das Recht (und seine Subjekte) diesem anderen Sachverhalt logisch nachgeordnet ist und deshalb in seiner (durchaus autonomen) Besonderheit ihm dient. Dass der Grund das erste darstellt und dass das Begründete (das Rechtssubjekt eben) die Folge dieses Grundes ist. Damit das aber nicht nur eine Behauptung und damit leer und wertlos bleibt, muß das Begründete in seiner ganzen Besonderheit auf den Grund zurückgeführt werden. Erste Bedingung dafür ist, das der Grund und das Begründete nicht identisch sein können, und auch keine Überschneidungen miteinander haben dürfen, sondern getrennt für sich und trennbar von einander sind. Die Durchführung der Ableitung besteht also darin, das Begründete als Folge des Grundes zu   e r w e i s e n – ohne es schon vorauszusetzen.

Ihre Vorstellung von und ihr Verfahren für „Ableitung“ scheint aber etwas ganz anderes zu sein. Ihr Vorhaben ist, „Rechtssubjekt und die Rechtsform“ „aus (!) der kapitalistischen VERGESELLSCHAFTUNG oder....den kapitalistischen Produktionsverhältnissen im erweiterten Sinne“ abzuleiten.
Ihr Vorgehen zeigt dann, dass sie dieser kapitalistischen Sorte Vergesellschaftung (zunächst) gar keine nähere inhaltliche Bestimmung mitgeben, die als Grund für das Recht dann geprüft werden könnte. Vielmehr wird das Recht von Ihnen allgemein (und ohne eine inhaltliche Substanz des Rechts anzugeben), und damit absichtlich ohne weitere inhaltliche Notwendigkeit („ b e s o n d e r t sich“) ähnlich wie auch die Ökonomie als T e i l des Ganzen dieser Vergesellschaftung („in(!) dieser Vergesellschaftung...“) vorgestellt. Und so wird umgekehrt das Ganze der „kapitalistischen Produktionsverhältnissen im erweiterten Sinne“ nur als Summe oder Zusammenspiel dieser nebeneinander und für sich stehenden Teile behauptet....

Es mag ja für sich korrekt sein, dass die kapitalistische Gesellschaft „eigenlogische Sphären“ wie Ökonomie und Rechts aufweist. Das kann und soll man schon – auch mit Erstaunen - zur Kenntnis nehmen. So wie Sie das Recht als nur Teil eines Ganzen darstellen, beinhaltet das aber nicht nur einen gewollten Verzicht auf ein Begründungsverhältnis, der mit der inhaltlichen Füllung dieser Teile im Nachhinein zurückgenommen werden könnte. Das schließt wegen drohender Tautologie ein Begründungsverhältnis der Einzelteile aus dieser Totalität unmittelbar und prinzipiell aus.


2. „Form“

Die Bezeichnung des Rechts als „Form“ sieht aus wie eine Durchführung von Ableitung. Die Kennzeichnung des Rechts als Form läßt ja ebenfalls (aber offensichtlich nicht jeden) an einen Inhalt denken, der s i c h diese Form gibt. Also auch hier ist eine Trennung von Inhalt und seiner Form vorgenommen und unterstellt. Nicht nur wäre damit zu zeigen, dass beide, Inhalt und Form existieren, sondern 1. dass der Inhalt nicht für sich stehen kann, sondern 2. einer Form getrennt von sich, und 3. gerade dieser Aus-formung für sich bedarf. Und natürlich 4. umgekehrt diese vorfindbare Form die Form dieses und nur dieses Inhalts darstellt und darstellen kann.

Wenn bei Ihnen das Recht „sich(!) besondert“, so ist ein Inhalt, der sich im Recht besondert, schon andeutungsweise herausgekürzt..
Weiter ist Recht für Sie dann nur Teil des Inhalts „kapitalistische Vergesellschaftung im erweiterten Sinne“, deren „Totalität“ eben mal in der „Form“ von, also a l s Wert und mal als Recht vorkommt, und die beide als Teile desselben diesen Inhalt wiederum (zusammen mit anderen Teilen) konstituieren. Und zurecht k a n n d a kein Erklärungsverhältnis mehr vorliegen, weder zwischen den verschiedenen Formen noch zwischen dem Inhalt und seiner (angeblichen) Form... Das Warum dieser Formen ist so als Frage gründlich verabschiedet.

Da es für Sie einen von seinen Formen getrennten Inhalt namens „bürgerliche Gesellschaft“ gar nicht gibt, kann sich ein solcher, im Gegensatz zu Paschukanis, gar nicht mehr i m Wert und i m Recht in ihrer jeweiligen qualitativen Besonderheit manifestieren. Sie finden einen solchen Inhalt dann nur in der Wert und Recht „g e m e i n s a m e (n) A r b e i t s w e i s e“, der bei beiden vorliegenden Abstraktionsweise, also gerade nicht in den ihnen               b e s o n d e r e n Qualitäten.

Paschukanis wollte mit seiner Analogie noch eine begründende Erklärung des Rechts leisten – w e g e n des analogischen Vorgehens, und v.a. mit der Kategorie der Ware ist sie inhaltlich nicht stichhaltig. Mit dem methodischen Strukturprinzip, das Sie in Recht und Wert als ihnen gemeinsames, (angeblich) bürgerliches Prinzip entdeckt zu haben glauben, ist die qualitative Besonderheit des Rechts aber von vornherein nicht mehr zu begründen - weil d a r i n das Recht gerade ununterscheidbar vom Wert ist.

Die realen gesellschaftlichen Kräfte(verhältnisse), die Sie deshalb für die Erklärung der Besonderheit(en) des Rechts bemühen (müssen), bestimmen vielleicht den e i n z e l n e n Inhalt von Rechten und ihre Durchführung in Gesetzen; sie erklären das Recht in seinen elementaren Kategorien aber nicht, sondern unterstellen es schon.


3. „Fremd“ und „verdinglicht“

Diese näheren Bezeichnungen (wie auch das Etikett „Fetisch“) für das Recht gehen ebenfalls von der Gewißheit aus, dass die gesellschaftlichen - und speziell die rechtlichen – Verhältnisse welche sind, wo der Wille oder das Interesse der Menschen nicht oder nur sehr verdreht gilt. Auch hier wird unterstellt, dass ein anderer Inhalt als der von den Menschen getragene oder ihnen bekömmliche sich gegen die Menschen Geltung verschafft. Auch hier muß allerdings ein solch anderer Inhalt getrennt von den Willensinhalten der Menschen identifiziert und als der Inhalt dieser gesellschaftlichen Verhältnisse erwiesen sein oder eben werden.

Die Selbstverständlichkeit, mit der alle Menschen der bürgerlichen Gesellschaft als Rechtssubjekte neben sich treten und so als Personen sich geben und aufeinander beziehen, das ist in der Tat etwas Überraschendes und Befremdliches. Dabei kann einem – wie schon Paschukanis – auch auffallen, dass das eine sehr merkwürdig dürre Gestalt von einem Subjekt und einem Willen ist, das Rechtssubjekt. Warum diese Willensinstanz Person so (unmenschlich und immateriell) ist und als solche (wie sie ist) so gut wie keine „gemeinsame Angelegenheiten“ mit anderen Personen hat, diese Fragestellung kann sich da schon anschließen.

Dieses Verhältnis des bürgerlichen Menschen gegenüber der Person ist aber doch ganz gerade anders gestaltet als gegenüber der objektiven Gegenständlichkeit des Werts in der Ware. Das Befremden gegenüber der Existenzweise als neben sich als Mensch tretende Person ist zwar ewiges Sujet bürgerlicher Literatur und subjektiver Reflexion, aber so distanziert fragend zunächst nur unser wissenschaftliches (oder auch vielleicht nur mehr meins ?).
Diese Fremdheit gibt es für die bürgerlichen Menschen – leider - nicht selbstverständlich und für sie als selbstbewußte Rechtssubjekte keineswegs. Die rechtlichen Bezüge auf Sachen und gegen andere Personen und Menschen sind zunächst schon und gerade die ihrigen, ihre bewußte Subjektivität ist dabei gefragt und entscheidend. Ihr subjektiver Wille oder Nichtwille ist etwa bei allen Eigentumstransaktionen von Nöten, wie auch bei der grundlegenden Entscheidung, abstrakte, von sich als Mensch getrennte Person überhaupt zu sein oder auch nicht. Aber auch bei allen anderen Rechten, die sie als diese eben Personen für sich beanspruchen und vom Rechtssystem (vielleicht, vielleicht auch nicht) zugewiesen bekommen. Die gegenüber dem Wert entscheidende Pointe ist, dass s i e das b e w u ß t und w i l l e n t l i c h tun, und dennoch leider wie bei der Ware weder wissen, w a s sie da tun noch w a r u m sie das tun.

Ihnen tatsächlich – also ihrem Willen - fremde werden sie denn in der Tat (wie Sie ja auch feststellen) im weiteren nur dadurch, dass sie widerstreitende Willen formulieren bzw. sie dem Staat die Rechtsdurchführung bzw. das Schiedsrichteramt bei den widerstreitenden Interessen überantworten und von ihm dann vielfältig nicht in ihrem Willen beschieden werden. Auch hier ist das WARUM von Interesse, was sie denn dazu bringt, dennoch ihr Interesse wie auch ihr Recht in den Schatten einer fremden Instanz zu stellen und stellen zu lassen. Die von Staat und Justiz im Recht (fest)gesetzten „gemeinsamen Angelegenheiten“ sind ihnen einerseits fremd bis gegensätzlich, andererseits lassen sie sich die Geltung des staatlichen Willens durchaus als notwendig einleuchten. All das erklärt sich mit der (meiner Ansicht nach) mit der Rechtsperson transportierten kapitalistischen Pflicht sowie mit der mit ihr einhergehenden Art von Freiheit und Individuierung der bürgerlichen Menschen.

„Fremdheit“ wie in Ihren Texten dann doch erst da gelten zu lassen, wo ihr Wille sich nicht mehr auf eine Einsicht in die Verfahren der Juristerei stützen kann (Form II), lässt all diese Elemente des Rechts, wo sie selbstbewußte Eigentümer sind und sein wollen (FormI), aussen vor - als nicht (mehr) erklärungsbedürftig, und durchaus gesellschaftlich vernünftig und akzeptabel.


4. begründende Ableitung des Rechts:

W a r u m Recht überhaupt existiert, warum sowohl das R e c h t ssubjekt notwendig ist wie auch der demokratische Wille zur aktiven und passiven Unterwerfung, das bleibt also gerade offen und bedarf weiterhin der Erklärung – für uns und für die anderen Menschen als Täter dabei. Mithin geht es nach wie vor um das positive willentliche, selbstbewußte Tun der bürgerlichen Menschen   i m  R e c h t . Und nicht erst um d i e rechtlich geregelten „gemeinsamen Angelegenheiten“, die sie n i c h t selbst tun und n i c h t kennen und n i c h t wollen. Da sind sie schon Rechtssubjekte, haben ihren Rechtsstandpunkt schon bezogen und geben diesen auch gerade nicht auf, sondern beharren nur auf ihm, wenn sie tapfer U n -Recht beklagen und widerspenstig ihr Interesse  a l s   i h r  Recht anmahnen oder z u ihrem reell gesetzten Recht machen wollen. Nur wenn sie den Grund kennen, warum sie sich so abstrakt rechtlich um ihr Interesse bemühen, werden sie das auch lassen können – und vielleicht nicht nur das.
Gegen die Befürworter von Rechtsverhältnissen, die Recht und Person sowieso für ein ewiges Naturereignis halten, hat man nur dann und damit ein Argument gewonnen – wenn es denn darauf ankommt...

Nun bin ich zudem noch zu dem Ergebnis gekommen, dass ausgerechnet Kategorien der kapitalistischen Ökonomie, nämlich die Einkommensquellen Lohn, Zins, Rente und Unternehmergewinn die Notwendigkeit enthalten für die abstrakte Verfügung namens Eigentum, sowie deshalb für das abstrakte Subjekt Person. Ganz gegen Ihr diesbezügliches Votum „Das Recht darf... in keiner Weise aus einem Moment „abgeleitet“ werden...“ (SB 214).