(Kommentar zu Axel Honneth, Das Recht der Freiheit, Berlin 2011, veröffentlicht bei Amazon 30.10.2011)

Die Freiheit des Rechts (also: Welche Freiheit gewährt uns das Recht?)

Schon in seinem Werk "Kampf um Anerkennung" hatte Axel Honneth mit der hehren Idee der "Anerkennung des ganzen Menschen" als das Jenseitige der nur rechtlichen Anerkennung kokettiert. In seinem neuen Buch "Das Recht der Freiheit" will er die "Prinzipien sozialer Gerechtigkeit direkt in Form einer Gesellschaftsanalyse" (9) entwickeln. Dabei ist diese vormalige Anerkennungsdichotomie zu der Gewissheit ausgestaltet, dass einerseits die "subjektiven Rechte" - und insbesondere dasjenige auf Eigentum - schon als "Basis all unserer Freiheiten"(129) gelten können; andererseits trete aber die wahre soziale Freiheit erst mit kompensatorischen moralischen und politischen Bemühungen ein - kompensatorisch auch nach Honneth  w e g e n dieser seiner Grundlage.

Einer marxistischen Sichtweise, nach der "die liberalen Grundrechte (..) nichts anderers (seien) als eine Handvoll ideologischer Instrumente, mit denen die herrschende Klasse die ökonomischen Eigentumsverhältnisse festschreiben und eine beschleunigte Ausbeutung der Lohnarbeiter rechtfertigen wollte"(133) wird so nur für eine ferne, noch rohe Vergangenheit "Faktizität" (595) zugestanden. Insgesamt und systematisch wird diese Position von Honneth jedoch verworfen. Diese Ablehnung begründet sich bei Honneth nicht dadurch, dass Marx und seine Nachfolger die soziale Form des Rechts nicht als Folge der Verwertung von Wert erwiesen haben; sondern weil in der historischen oder etwa nur möglichen, wenn auch eher schmerzlich vermissten Gegenbewegung sozialer Wirklichkeit "die subjektiven Rechte auch die Chance einer ganz anderen Verwendung bereithalten"(133).

Mit Rückgriff auf Hegel bietet er statt dessen einen "Daseinsgrund der rechtlichen Freiheit" (132) auf, der ganz im Willen der Menschen angesiedelt sei. Dabei will Honneth sich so gar nicht über den hegelsche Befund eines Willens wundern, der gar nichts Bestimmtes mehr will, sondern von allem(!) abstrahiert hat, und angeblich deshalb (?) beim Eigentum als ausdrücklich seiner Materialisierung landet. Er hält trotz oder sogar wegen seiner Leere diese Sorte Willen der Person mit Hegel für eine Ausgeburt des Willens schlechthin, und für eine reine Errungenschaft der Menschheit, und gewinnt ihm gerade "im Problemhorizont alltäglicher Konflikte" sogar "ethischer Bedeutung" (136) ab. Dem Eigentumsverhältnis unterstellt er so nicht nur die "Aufgabe" für den individuellen Eigentümer, "seinen 'wirklichen Willen', das 'Eigene' ... in Erfahrung zu bringen" (137). So bebildert er diese Vorstellung von Eigentum mit dem Freiraum einer materiellen Privatsphäre, etwa eines eigenen Zimmers. Er vergisst darüber, dass Hegel das Eigentum eher illusionslos so ganz anders denn als Mittel für materielle Bedürfnisse gefasst hat, nämlich "wahrhaft" als "wesentlicher Zweck für sich" (Rechtsphilosophie §45). Dem eigentumsvermittelten Wirtschaften lauscht Honneth im weiteren einigermaßen angestrengt das Versprechen sozialer Wohlfahrt ab, von dem es sich doch mit dem Eigentum als privater Verfügung gerade grundlegend emanzipiert hat - wie er auch ausführlich zu berichten weiß.

Dass so eine kastrierte, isolierte und eindimensionale Sorte Willen wie der der Rechtsperson, die dann nur aufs abstrakte Verfügen verfallen kann, vielleicht schon  v o n  v o r n h e r e i n  eine Notwendigkeit enthalten könnte, also eine Verpflichtung auf einen Inhalt jenseits seiner selbstzweckhaften Sphäre wie seines dürftigen Gehalts, kommt ihm gar nicht in den Sinn. Noch irritiert ihn der Tatbestand, dass eine gesellschaftlich übermächtige Gestalt wie der Staat, getrennt vom subjektiven Willen, die Anerkennung dieses Rechtswillens zu gewährleisten hat.
So ein rechtlicher Wille als eben auf abstraktem Bezug zu sich und auf die Welt beruhend, enthält aber in der Tat nicht nur gar kein Bewusstseinselement mehr von gesellschaftlichen Inhalten, vielmehr ist mit der Anerkennung in seiner Freiheit als Person alle Rücksichtslosigkeit gegen Gesellschaft bekräftigt, die Honneth dann doch, aber erst an der nichtbegrifflichen Wirklichkeit der personalen Freiheit, in den wirtschaftlichen Aktivitäten erkennen will.

Mit seiner Entwicklung des Sollens aus dem schlecht begriffenen Sein dieser Gesellschaft formuliert Honneth zwar ein hoffnungsfrohes wie trotziges Dennoch von "Gesellschaft u n d Freiheit", bringt damit aber nur zielgerichtet ein moralisches Anliegen dieser Gesellschaft auf einen praktischen Begriff.

Man könnte so Honneths absichtsvoll eliminierter "Trennung von Sein und Sollen" einfach mit der FAZ (23.8.2011) entwarnend bis gelangweilt, und leicht süffisant eine Affirmation des "Sozialen" bescheinigen. Man kann aber auch ernst nehmen, wie unbefriedigend, nicht hinreichend oder schief die
E r k l ä r u n g  des Rechts und seiner Wirklichkeit bei Honneths "normativer Rekonstruktion" sich darstellt. Zudem mag einem schon die Sorte Freiheit nicht behagen, die Honneth sowohl im Recht angelegt sieht als auch als erstrebenswerte Durchführung desselben uns anempfiehlt.