zu David Greaber: Schulden. Die ersten 5.000 Jahre,
Kenntnisreich beschreibt Graeber die
menschheitsgeschichtliche Allgegenwart von Schuld und Verschuldung
jenseits ihrer heutigen nur ökonomischen Dimension, schildert ihre
durch Gewalt ins Werk gesetzte allgemeine gesellschaftliche Präsenz,
führt die damit einhergehende materielle Not und Dienstbarkeit in
ihrer brutalen Wucht vor.
Der Vorstellung von Schulden als
selbstverständlicher Inhalt von menschlicher Gesellschaft, und
insbesondere als historischer Resultante von Handel und Geld ist
damit sicher widersprochen. Und eine schlechte Meinung zu unserem
heutigen Kreditwesenexzess ist damit schon auch kenntlich gemacht.
Aber Graebers Buch enthält kein Argument gegen unser alltägliches
bürgerliches Leih- und Schuldwesen, das über die modische
Kredit-Katerstimmung hinaus ernst genommen werden könnte.
Graeber
begründet seine Denunziation von Eigentum und Kredit heute nämlich
nur mit dem Fortwirken antiker sklavischer Denktradition, und nicht
mit den heutigen Inhalten von Schuldbeziehungen:
Weder am Geld
noch seiner Vermehrung im heutigen Verleih will er überhaupt eigenen
Sinn und Gehalt entdecken. Geld ist ihm sowieso und für alle Zeiten
seiner Substanz nach einfach nur verächtlich nichtig: '"Geld
hat keine Essenz. Eigentlich ist es nichts,..."'' (391). Der
Verleih desselben gegen Geld gilt ihm deshalb von vornherein und
immer als nichts anderes als eine besonders raffinierte Variante von
Betrug. Grund und Notwendigkeit, warum die Menschen sich heute darauf
einlassen, ist ihm an den Verleih- und Schuldverhältnissen selbst
nicht kenntlich, und deshalb keine Argumentation wert.
Der
heutige Verleih gegen Geld ist aber, im Gegensatz zu früherer und
Graebers Vorstellung, nicht destruktives und parasitäres, also nur
negatives Moment gegen jegliche menschliche Aktivität und
Wirtschaftsweise, sondern generell ihr integrativer Bestandteil,
nämlich positiver allgemeiner Willensakt bei der Durchführung des
Kapitalismus. Der Verleih von Geld im Kredit ist so erfolgreich
zinsträchtig als die andere Seite sowie das Ergebnis der besonderen
bürgerlichen Dienstbarkeit der Lohnarbeit. Und Lohnarbeit vollzieht
sich ebenfalls über einen Verleih, nämlich darin, dass der Mensch,
nach Graeber aber nur sklavisch motiviert, "'sich selbst
vermietet"' (370). (Dass die entscheidende ökonomische
Transaktion in der bürgerlichen Ökonomie nicht in Tausch noch
Kauf/Verkauf besteht, sondern im Verleih, ist dennoch eher nicht
geläufig.)
Graeber plädiert in seinem Buch letztlich nur für
einen Schuldenerlass wie zu biblischen Zeiten, und bekommt dafür den
Beifall auch all derer, die sich eine Sicherung unserer
Wirtschaftsweise davon versprechen. Auch wenn Graeber dafür die
ebenfalls schon ewigen Wunschvorstellungen von Liebe und Freundschaft
vorbringt und davon befördert sehen will, und zumindest er – auch
– an die Schwächsten der Schuldner dabei denkt, ein Argument gegen
unsere bürgerlichen Notwendigkeiten ist ihm dabei nicht gelungen.