Harald Haslbauer


Zur Begründung der Kategorien des Rechts bei Paschukanis.                         pdf-version

Kritische Anmerkungen zu

Eugen Paschukanis: „Allgemeine Rechtslehre und Marxismus" Versuch einer Kritik der juristischen Grundbegriffe. 1929 bzw. Frankfurt 1966, und Freiburg 2003

(Zitation nach dem altem Reprint)


Eugen Paschukanis gilt als Solitär und Klassiker der so bezeichneten marxistischen oder materialistischen Rechtstheorie. Alle Anstrengungen neuerer marxistischer Theorie zum Recht arbeiten sich an ihm ab und nehmen seine Gedanken und Schlussfolgerungen zumindest auf. Paschukanis beansprucht, in der kapitalistischen Ökonomie, und zwar in der Kategorie der Ware und seinem Hüter, einen logischen Springpunkt für den Fortgang zum Recht gefunden zu haben.


Er selbst hat seine theoretischen Bemühungen zwar zurückhaltend als „Versuch“ oder auch als nur „soziologische Deutung der Rechtsform und der diese Rechtsform ausdrückenden spezifischen Kategorien“(85) gekennzeichnet und damit wohl eine breitere Diskussion in Gang zu setzen versucht. Er hat sie aber durchaus als grundsätzliche „Kritik der juristischen Grundbegriffe“ (Untertitel) beurteilt, mit dem Inhalt, „daß ich die Existenz des Rechts nur in den bürgerlichen Verhältnissen anerkenne“(16). Allerdings relativiert er verschiedentlich auch sein scharfes Urteil, wenn er den inhaltlichen Schluss zu einem vagen „unlösbaren inneren Zusammenhang“(14) verwässert, „daß nämlich das Rechtssubjekt der juristischen Theorien in einer sehr nahen Beziehung zum Warenbesitzer steht“(10). In seinem Vorwort zur zweiten russischen Auflage seiner Rechtslehre (1926) sieht er seine Theorie als „Versuch zur Annäherung der Form des Rechts an die Wertform“ (9) gut beschrieben, auch wenn er weiter darauf beharrt, „daß die Genesis der Rechtsform in den Austauschverhältnissen zu suchen sei“(15). Diese Abschwächungen und Ambivalenzen sind möglicherweise einem politischen Druck geschuldet, in ihrer Uneindeutigkeit vielleicht aber auch auf eine inhaltliche Unklarheit zurückzuführen.



1. Recht als notwendige Folge.


Recht ist für Paschukanis in seinen elementaren Kategorien gerade nicht nur etwas, das aus sich heraus und nur für seine Sphäre existiert und lebt, und allein in seiner Phänomenalität genommen und verstanden werden kann.


Schon vorab besteht Paschukanis auch darauf, dass das Recht nicht nur „imaginär“, „ideell“, und etwa „nur in den Köpfen und Theorien der gelehrten Juristen“ (40f) existiert. Er stellt allerdings sogar die begriffliche Leistung der juristischen Gedankenformationen in Frage, indem er bestreitet, „daß in diesen Begriffen die gewissermaßen mystisch verkleidete gesellschaftliche Wirklichkeit … entdeckt werden kann.“(47). Er behauptet also das Recht selbst - und nicht etwa nur seine theoretische Bewältigung - als eine Form und „unausbleiblicher Reflex“(57) gerade des bürgerlichen „Klasseninhalt“s. Das will er inhaltlich erweisen, indem er zu erklären versucht, „warum dieser Inhalt eine solche Form annimmt“(59).

Das Recht überhaupt steht also zur Erklärung und nach Paschukanis damit zwar nicht die Besonderheit der Rechtssphäre zur Diskussion, wohl aber ihre Absolutheit. Paschukanis ist sich sicher, dass das Recht sowohl als Tatbestand wie als Gedachtes logisch ein nachgeordnetes Element darstellt, das als Folge von anderem als sich selbst anzusehen und nur so zu verstehen sei.


Damit meint er in Bezug auf diese Bildung der Rechtssubjekte ausdrücklich nicht die (vielleicht historisch, aber auch gleichzeitig und mit materieller Tragweite) vorausgesetzten Festlegungen und Erlaubnisse durch eine Staatsgewalt:

...nicht in der Genehmigung der Obrigkeit ist die Wurzel des privatrechtlichen Systems zu suchen.“ (72)

Vielmehr beharrt er umgekehrt auf einer logischen Nachordnung auch der staatlich organisierten Regelungen, die nach der Vorstellung von Paschukanis nur aufgrund dieser grundlegenden Rechtsverhältnisse ebenfalls diese Rechtsform annehmen (müssen):

Das subjektive Recht ist das primäre, denn es fußt letzten Endes im materiellen Interesse, das von der äußeren, d.h. bewußten Regelung des gesellschaftlichen Lebens unabhängig existiert.“ (75)

Er behauptet also, dass alles Recht, auch die verwaltenden und strafenden Regelungen im öffentlichen Recht bis hin zum Staatsgebilde selbst, seine Notwendigkeit nur aus diesem privaten Rechtsinteresse bezieht 1:

„Die über Zwangsmittel verfügende gesellschaftliche Organisation ist die konkrete Totalität, bei der wir anlangen müssen, nachdem wir das Rechtsverhältnis in seiner reinsten und einfachsten Form vorher begriffen haben.“(75f)

Alles in allem meinte er mit seiner Theorie auch ein Argument gewonnen zu haben nicht nur gegen die Naturhaftigkeit von Recht, sondern insbesonders gegen „die Unsterblichkeit der Rechtsform“(33) wie auch des Staates2. Damit kam er wohl den sowjetstaatlichen Bemühungen in die Quere und erlitt Verfolgung und Vergessen.


Sein kritisches Urteil zum Recht, dass es nur als bürgerliches Sinn macht und Notwendigkeit hat, hat ihm auch das Interesse der neuen Linken eingebracht, meist unter Ignoranz seiner Erläuterung dieses Urteils. So kommen die politischen Positionen, die sich auf ihn beziehen, oft ohne Prüfung seiner Gedankengänge aus. Es zeigt sich dann auch, dass sie den positiven Urteilen zum Recht, die es als Natureigenschaft des Menschen oder als reine soziale Errungenschaft feiern, mit Paschukanis argumentativ nicht gut begegnen können.



2. Gleichzeitigkeit und Parallelität von Ware und Recht. Also Analogie als logische Notwendigkeit?


Schauen wir uns die Darstellung von Paschukanis an, wie er die Nachrangigkeit des Rechts gegenüber der Ware erweisen will, so scheint er zusammenfassend und gerafft, aber wiederholt, die Angelegenheit etwa so zu sehen:


„Ähnlich wie der Reichtum der kapitalistischen Gesellschaft die Form einer ungeheuren Anhäufung von Waren annimmt, stellt sich die ganze Gesellschaft als eine unendliche Kette von Rechtsverhältnissen dar.“(60)

„Darum wird der Mensch, zu gleicher Zeit als das Arbeitsprodukt Wareneigenschaft annimmt und Träger von Wert wird, zum juristischen Subjekt und zum Träger von Rechten.“ (90)

„Gleichzeitig damit zerfällt das gesellschaftliche Leben einerseits in eine Totalität... verdinglichter Verhältnisse... und andererseits solcher Verhältnisse, in denen der Mensch nur bestimmt wird, indem er einem Ding gegenübergestellt wird, d.h. als Subjekt. Das letztere ist eben das Rechtsverhältnis.... Der gesellschaftliche, in der Produktion wurzelnde Zusammenhang stellt sich gleichzeitig in zwei absurden Formen dar:...“(91)

„Genau so wie die natürliche Mannigfaltigkeit der nützlichen Eigenschaften eines Produkts in der Ware nur als einfache Hülle des Wertes auftritt..., tritt die konkrete Mannigfaltigkeit des Verhältnisses zwischen Mensch und Ding als abstrakter Wille des Eigentümers auf und lösen sich alle konkreten Besonderheiten, die den einen Vertreter der Gattung homo sapiens von dem anderen unterscheiden, in der Abstraktion des Menschen überhaupt, des Menschen als juristisches Subjekt auf.“(91)

„Wenn das Ding ökonomisch den Menschen beherrscht,...., so herrscht juristisch der Mensch über die Sache...“(91)

„...das Recht...hat eine parallele reale Geschichte...Der Mensch wird zum Rechtssubjekt kraft derselben Notwendigkeit, die das Naturprodukt in die ... Ware verwandelt“(41)

Diese Ausführungen (und viele weitere mit "wie...so", "entspricht vollkommen", "dementsprechend" usw.) halten manche Rezipienten schon für hinreichend und selbsterklärend, um einen begründenden Zusammenschluss von Ware und Recht zu leisten.

Dagegen kann eingewandt werden3, dass da zunächst nur von einer Gleichzeitigkeit, einer Ähnlichkeit oder Parallelität der Entfaltung von Ware und Rechtssubjekt die Rede ist. Selbst wo Paschukanis von „derselben Notwendigkeit“ des Rechts wie bei der Ware redet, ist nicht mehr als eine Gemeinsamkeit in der Notwendigkeit überhaupt gefasst. Notwendigkeit hat da gerade keinen Inhalt als die behauptete Unumgänglichkeit, die eben bei beiden Phänomenen vorliegen soll. Es will damit kein davon getrenntes, für sich treibendes Element dingfest gemacht sein, das diese Notwendigkeit erwirkt.

Allerdings ist mit dem Hinweis

"Es sind dies die beiden Grundformen, die sich prinzipiell voneinander unterscheiden...: ...Warenwert und ... die Fähigkeit des Menschen, Subjekt des Rechts zu sein."(91)

immerhin die Nichtidentität und Verschiedenheit der beiden Phänomene in eigenen gesellschaftlichen Sphären festgehalten und betont. Somit ist die Möglichkeit grundsätzlich eröffnet, diese beiden Momente logisch in Beziehung zu setzen, ohne dass eine Vermischung oder Überlappung vorliegt, oder das eine auf das andere reduziert zu werden droht. Das eine kann damit grundsätzlich als der Grund des anderen in Betracht gezogen werden.4


Allerdings kann eine vorgebrachte Analogie für sich allein noch keine Überzeugungskraft haben, wenn es dabei um inhaltliche Zusammenhänge oder Beziehungen dieser Phänomene in einer Notwendigkeit geht. Über eine Analogie sind weder die besonderen Momente einer Sache zu ihren Konsequenzen anderen Inhalts hin zu entwickeln, noch ist damit zu zeigen, dass die betreffende Besonderheit, etwa des Rechtssubjekts, qualitativ aus seinen behaupteten, so ganz anderen, spezifischen inhaltlichen Gründen hervorgeht. Vielmehr werden gerade nur identische oder ähnliche Momente der als verschieden bestimmten Sachverhalte aufgeboten, um einen Zusammenhang zu suggerieren. Ein Begründungszusammenhang, also dass das eine Phänomen als logische Folge des anderen anzusehen sei, ist damit allein nicht geleistet. Sie sind sich in Bezug auf das bemühte Strukturmerkmal gerade ebenbürtig, und gerade deshalb will und kann auch ausdrücklich keine Vorrangigkeit des einen vor dem anderen damit festgehalten sein. Die Gewissheit, die mit dieser Strukturidentität oder "Homologie" – eben auch festgefügte soziale Form in unserer Gesellschaft zu sein 5 - einhergeht, dass sie damit als spezifisch bürgerliche Inhalte erwiesen seien, ist nur behauptet und taugt minichten, der Vorstellung einer Naturgegebenheit dabei zu widersprechen.

Die Allgegenwart dieser logischen Figur bei Paschukanis als Essenz und Resumé seiner Ausführungen ist für sich schon auffällig. Ob er in seinen einzelnen inhaltlichen Argumentationsschritten darüber hinaus wächst, ist zu prüfen.



  1. Das zu Begründende: Die Rechtsperson


Bei Paschukanis finden sich verschiedene Paraphrasen und ergänzende Umschreibungen dessen, was er mit der Bezeichnung „Rechtsperson“ und dem ebenbürtig mit „Rechtssubjekt“ gefasst haben will, bzw. was es gerade nicht ausmacht:

„Das Subjekt ist das Atom der juristischen Theorie, deren einfachstes nicht weiter zerlegbares Element.“(87)

„...sich der Mensch als zoologisches Individuum in ein juristisches Subjekt verwandelt...“(89)

"...Verhältnisse, in denen der Mensch nur bestimmt ist, indem er einem Ding gegenübergestellt wird, d.h. als Subjekt. Das ... ist eben das Rechtsverhältnis"(91)

„...der Mensch sich aus einem zoologischen Individuum in ein abstraktes und unpersönliches Rechtssubjekt, in die juristische Person verwandelt“(93)

„Begriff des Subjekts, dem nur die Rechtsfähigkeit übrig geblieben ist“ (95)

„die Eigenschaft, Rechtssubjekt zu sein, ist eine rein formelle Eigenschaft. Sie qualifiziert alle Leute als gleichmäßig ´eigentumswürdig´, macht sie aber keineswegs zu Eigentümern.“(107)

Diese Kennzeichnung des Menschen als Subjekt an sich, ohne weitere Qualitäten, also in Abstraktion von allen menschlichen Eigenschaften und Strebungen, und so unterschieden und jenseitig vom lebendigen Menschen wie von qualifizierten Objektbezügen ist sicher das Besondere an dem rechtlichen Subjekt, wie es im Alltag der bürgerlichen Gesellschaft vorfindlich ist. Und die Andeutung einer Präsenz dieser Art Subjekt in einer ihm eigenen gesellschaftlichen Sphäre, getrennt von sonstigen Willensinhalten und ihren Objekten, trifft für es offensichtlich ebenfalls zu.


Paschukanis will also zunächst dieses elementare Rechtsmoment, „das juristische Subjekt, die ´persona´“(54) betrachten, den Willensakt der menschlichen Individuen selbst, für sich nicht nur Mensch, sondern abstraktes, eben rechtliches Subjekt sein zu wollen, ausdrücklich jenseits von materiellen Qualitäten und Willensmomenten als Mensch6. Diese Art Subjekt als grundlegendes Element des Rechts, wie er es vorfindet und lediglich zur Kenntnis nimmt, will er erklären. Er besteht darauf, dass das weder aus dem Menschen in seiner Natureigenschaft, noch aus diesem vom Menschen getrennten besonderen Subjekt selbst heraus möglich ist, er kennt eine „vorjuristische Geschichte“ (101) desselben. Diese Grundlegung sieht er im Weiteren mit Marx in einer Gesellschaftlichkeit, wo der Mensch alles andere als Subjekt ist.


Paschukanis beansprucht also, sich (nicht irgendein gesellschaftliches menschliches Subjekt, sondern) das qualitativ unteilbare Subjekt der bürgerlichen Rechtswelt vorzunehmen und für dieses eine Begründung zu leisten.

Er kennt aber innerhalb dieser Subjektivität zum Recht doch noch verschiedene Qualitäten oder Abstufungen. Für ihn gibt es auf der einen Seite eine Rechtsfähigkeit des Menschen („die Fähigkeit, Rechtssubjekt zu sein“, 93; also „die Fähigkeit des Menschen, Subjekt des Rechts zu sein.“ 91) als lediglich Möglichkeit, die offensichtlich dem Menschen als (noch ganzen) Menschen eingeräumt ist; zu deren Wahrnehmung und eben Verwirklichung also offensichtlich von Seiten des Menschen noch ein besonderer Willensakt oder Entschluss notwendig zu sein scheint, oder eine Nötigung anderer Art. Davon unterschieden wissen will er doch das fertige „juristischen Subjekt“ als „eines mathematischen Punktes, eines Zentrums, in dem eine gewisse Summe von Rechten konzentriert ist.“ (93). In letzterem besteht für ihn der „formal vollendetere Begriff des Subjekts, dem nur die Rechtsfähigkeit übriggeblieben ist“ (95). Darin liegt für ihn also das Rechtssubjekt erst vollständig und für sich vor, also in Trennung von anderen Willensmomenten und Kalkulationen des Menschen. In dieser Form besteht für dieses Subjekt nach seiner Vorstellung wohl auch eine Festlegung und Unausweichlichkeit. Es ist damit allerdings schon die Frage aufgeworfen, ob und inwiefern dieses fertige Subjekt dann nicht in gewisser Hinsicht jenseits des Willens des Menschen, etwa im staatlichen Willen, anzusiedeln ist. Das ist zumindest erklärungsbedürftig, war mit dem Subjekt-Sein dieser Instanz doch gerade auch seine Freiheit als Qualitätsmerkmal festgehalten.


Paschukanis selbst sieht diese Begriffsentfaltung wohl nur als inhaltliche Entwicklung des Rechtssubjekts selbst an, quasi als ein Steigerungsmoment seiner besonderen, aber durchaus schon originären und inhärenten Qualität. Welcher Springpunkt den Schritt von der Möglichkeit zur Notwendigkeit dieses abstrakten Subjekts nach Paschukanis leistet (und im Weiteren auch seine Besonderung in einer eigenen gesellschaftlichen Instanz), ist an der Unterscheidung selbst gerade offen gelassen.



  1. Der behauptete Grund: Kapitalistische Produktion, Ware und Warenverfügung

Das subjektive Recht ist das primäre, ... es fußt letzten Endes im materiellen Interesse“ (75). Mit diesem „materiellen Interesse“ meint Paschukanis allerdings nicht die individuelle Verfolgung materiellen Wohls überhaupt, sondern nur das besondere bürgerlich-ökonomische Interesse, inbesondere das eines Warenbesitzers, worin sich nach Paschukanis nichts als der bürgerliche „Klasseninhalt“(59) vollstreckt. Das ist die Notwendigkeit hin zum Recht, auf die es Paschukanis ankommt, die er erweisen will.

Damit unterstellt er (die nicht allen Marxlesern einsichtige Erkenntnis), dass mit den Kategorien des marxschen Kapitals, und dem darin festgestellten "Klasseninhalt" dieser Art Ökonomie, nur eine Sphäre von Grundlegendem erschlossen ist. Dieser "wesentliche" Inhalt der bürgerlichen Gesellschaft sei dem Alltagsverstand nicht unmittelbar zugänglich und könne von daher als dieser spezifische Inhalt nicht Gegenstand des Willens der Menschen sein, so die implizite Vorstellung 7. Nur dann ist nämlich die Frage aufgeworfen, "warum dieser Inhalt eine solche Form annimmt" (59), weil nur damit die Unterscheidung einer von einem Inhalt unterschiedene Form dieses Inhalts Sinn macht. Allerdings muss sich diese Form dann auch als Form dieses Inhalts zeigen, muss mithin die Geltung dieses sachlichen Inhalts sich darin erweisen, wie er (und doch anders als er selbst) von den Menschen (wahr) genommen und willentlich vollzogen wird.

Auch wenn Paschukanis diese systematische Unterscheidung an der bürgerlichen Gesellschaft nicht in aller Konsequenz eingeleuchtet haben mag, er greift doch allemal über die von Marx in "Das Kapital" in ihrer Sachlichkeit lediglich angelegte Theorie der bürgerlichen Gesellschaft hinaus. Ein Übergang in die Welt der (zumindest rechtlich) gewollten Gesellschaftlichkeit sollte seiner Konzeption nach Marx´ Erkenntnis über die bürgerliche Gesellschaft ergänzen. Eine solche Folgerungsleistung wäre nicht etwa eine luxuriöse Zugabe noch nur die Bewährung einer wie immer gedachten Methode von Marx in einer anderen gesellschaftlichen Sphäre. Mit der damit angestrebten erweiterten Wahrheit der bürgerlichen Gesellschaft könnte man das Urteil einer bürgerlichen Klassengesellschaft als nur andere Sichtweise hinter sich lassen, und eine hinweisende Handhabe gegenüber den willigen Mitmachern dieser Gesellschaft gewinnen. So ein Nachweis könnte als argumentativ wirkende Kritik nicht nur distanzierte Kenntnisse über die bürgerliche Gesellschaft, sondern emanzipierendes Wissen bei ihren handelnden Mitgliedern schaffen.8

Mit dem Nachweis dieser Notwendigkeit des Rechts wäre also ein radikal kritisches Urteil gegen alles Recht gefällt, jenseits jedes einzelnen Rechtsakts, wie auch jeden einzelnen Rechtsinhalt einschließend: Dass nämlich die rechtlichen Willensakte sich – trotz aller freien wie gesellschaftlichen Willentlichkeit dabei und eventueller materieller Errungenschaften darüber – nur der kapitalistischen Verwertung verdanken, die den Akteuren dabei gerade unbekannt ist und von ihnen von daher nicht gewollt werden kann. Im Recht und seinen Regelungen vollziehe sich dann willentlich nur der unbekannte und feindliche gesellschaftliche Inhalt Verwertung von Wert, weil die besondere Art des Willens im Recht sich ganz dieser Verwertung von Wert verdanke, seine spezifische Form des Willens darstelle. Und letztlich ergäbe sich damit für den rechtlichen Willen der Widerspruch einer Festgelegtheit durch den ihn begründenden Zweck gerade in dieser seiner Freiheit.

Ob und wie stimmig diese Notwendigkeit in der Argumentation von Paschukanis sich ergibt, ist zu prüfen.



4.1. kapitalistische Produktion


„Der gesellschaftliche, in der Produktion wurzelnde Zusammenhang stellt sich gleichzeitig in zwei absurden Formen dar: als Warenwert und als die Fähigkeit des Menschen, Subjekt des Rechts zu sein.“(91)

Obwohl die kapitalistische Produktion als Grund angesprochen wird, ist damit ausdrücklich noch keine inhaltliche Folgerung der Rechtssubjektivität aus der kapitalistischen Produktion vorgenommen. Vielmehr erweitert Paschukanis damit seine bekannte Analogie, indem er beide, „Warenwert“ und „Rechtsfähigkeit“ als Folge einer von beidem zu unterscheidenden „Produktion“ und deren besonderer Gesellschaftlichkeit vorstellt. Hier kommen Ware und Rechtssubjekt als Folgen dieser „Produktion“ nebeneinander zu stehen, sind sich darin nur als gleich bestimmt - wenn auch darin als wunderliche Absurditäten.

Dass es sich um eine Produktion nach kapitalistischen Zwecken und Prinzipien handelt, unterstellt Paschukanis allerdings nur. Das Kapitalistische daran scheint ihm in der Ware selbst schon gegeben zu sein:

„Die kapitalistische Gesellschaft ist vor allem eine Gesellschaft von Warenbesitzern.“ (89)

Damit will Paschukanis zwar mit Marx auch festgehalten haben, dass die produktive Gesellschaftlichkeit des Kapitalismus nicht als solche erscheint, sondern diese Gesellschaft der Verwertung von Wert über Willensakte von Warenbesitzern abgewickelt wird. Die gesellschaftliche Arbeit ist allemal nicht Willensinhalt in dieser Gesellschaft. Vielmehr ist (fast) jeder Willensbezug der Menschen aufeinander einer bezüglich des Tauschs von Gegenständen, nicht zuletzt auch von den gegenständlichen Resultaten der gesellschaftlichen Arbeit. Ob das aber mehr als zufällig so ist, ist weder mit dem gleichsetzenden „ist“ noch mit der Häufigkeitsangabe („vor allem“) dieser behaupteten Identität der beiden Phänomene erschöpfend geleistet.

Hier mit dem Verweis auf die Geschichte zu widersprechen – dass eben auch nichtkapitalistische Gesellschaften Warentausch und Willensregelungen kannten9 – trifft zwar einen historischen Sachverhalt, aber nicht den logischen Zusammenschluß der inhaltlich unterschiedenen Phänomene, auf den es Paschukanis ankam. Eine logische Dürftigkeit dabei wahrzunehmen, ist aber alles andere als Gemeingut. Paschukanis kann sich in diesem Gedankengang auch durchaus auf Marx berufen. Wie Marx und weitgehend alle Marxisten sieht er die Ware als Elementarform kapitalistischen Reichtums. Allerdings hat auch Marx nur umgekehrt (und mangelhaft) die Verwertung aus der Ware erschlossen, und ist den umgekehrten Nachweis – Ware als Konsequenz und Form der Verwertung – gerade schuldig geblieben. Der Gewissheit, in der Ware schon kapitalistische Produktionsergebnisse vor sich zu haben, wurde allerdings von Marxisten höchstens ausweichend historisierend widersprochen, mit der Vorstellung einer präkapitalistischen Warenproduktion. Ein dabei vielleicht wahrgenommener logischer Mangel wollte damit zwar nie festgehalten sein, er konnte aber durch die reine Gegenbeteuerung einer kapitalistischen Warenzirkulation auch nicht behoben werden.

Es ist alles in Allem mit dieser Bestimmung der kapitalistischen Gesellschaft als Warengesellschaft auch noch denkbar, dass beide Momente einander doch äußerlich sind, dass etwa Warenbesitz als menschliches Naturphänomen zu nehmen sei, und Verwertung diese dann natürlich-menschliche Umgangsweise mit Dingen nur nutzt.

Über diese inhaltlich uneindeutige Bestimmung der kapitalistischen Gesellschaft als Warengesellschaft hinaus findet Paschukanis an der spezifisch kapitalistischen Mehrwert-Produktion selbst keine Notwendigkeit zur Rechtsperson. 10

Läßt man die Frage, ob die Ware als notwendige Folge kapitalistischer Produktion anzusehen ist, erst einmal dahingestellt, kann doch weiter Paschukanis´ Argumentationslinie von der Ware hin zur Rechtsperson geprüft werden.



4.2. Ware und Wille


In Fortschreibung oder Ausgestaltung der Analogie hält Paschukanis also Rechtssubjekt und Ware zunächst fest als einander ebenbürtig und ranggleich, und in ihrem Bezug aufeinander als sich nur gegenseitig bedürfend und nutzend:

"... sich zugleich gegenseitig bedingen und miteinander aufs engste zusammenhängen."(91)

Von einer Begründung des einen durch das andere in seiner spezifischen Qualität kann damit dennoch nicht die Rede sein. Im 1. Band von „Das Kapital“ sieht Paschukanis eben nur die „materiellen Voraussetzungen der Rechtsgemeinschaft oder des Verkehrs zwischen juristischen Subjekten“(89), oder die "grundlegende ... Bedingung der Existenz der Rechtsform" (36) festgehalten. Nach Paschukanis gilt dann eben auch das umgekehrte: „Damit sich menschliche Arbeitsprodukte zueinander verhalten können wie Werte, müssen sich die Menschen zueinander verhalten wie unabhängige und gleiche Persönlichkeiten.“ (132)

Damit sind die jeweiligen Inhalte Rechtsperson und Ware noch nicht über einen Bezug als einander gleichwertige gegenseitige Voraussetzung und Nützlichkeit füreinander hinaus geraten. Diese damit noch substanzielle Gleichgültigkeit gegeneinander kann zurecht mit ihrer historischen Divergenz unterstrichen werden, etwa dass Warentausch auch ganz ohne Recht durchgeführt wurde und (etwa römisches) Recht auch schon jenseits gesellschaftlich maßgeblichen Warentauschs galt.

Dabei will es Paschukanis aber nicht belassen. Die Ware, wie sie Marx im ersten Band von "Das Kapital" begrifflich festgehalten hat, enthält gerade in ihren sachlichen Bestimmungen die Unkenntnis wie Ungewolltheit dieser Inhalte. Willensmomente spielen bei den inhaltlichen Qualitäten der Ware gerade keine Rolle. Das fehlende Bewusstsein der Menschen bzgl. des Begriffs der Ware fordert allerdings eine Erklärung, wie dieser Wareninhalt dennoch wirklich wird in der bewussten Gesellschaftlichkeit der Menschen. Oder umgekehrt und mit der Zielrichtung von Paschukanis ausgedrückt: Aus dem Begriff der Ware müssen sich auch die willentlichen Momente seiner Verwirklichung ergeben, sollen sie seine Inhalte darstellen.

„Somit fordert der in den Arbeitsprodukten verdinglichte … gesellschaftliche Zusammenhang … zu seiner Realisierung ein besonderes Verhältnis der Menschen als Verfüger über Produkte, als Subjekte, deren ´Wille in jenen Dingen haust´.“(90)

Aus der Warenbestimmung folgt nach Paschukanis mit Berufung auf Marx ein Willensakt des Warenbesitzers in Bezug auf die Ware („Die Waren können nicht selbst zu Markte gehen und sich nicht selbst austauschen. Wir müssen uns also nach ihren Hütern umsehen, den Warenbesitzern. Die Waren sind Dinge und daher widerstandslos gegen die Menschen. Wenn sie nicht willig, kann er Gewalt brauchen, in anderen Worten, sie nehmen.“ KI, 50):

„Die Analyse der Form des Subjekts folgt bei Marx unmittelbar aus der Analyse der Warenform.“(89)

Dieser Willensakt in Bezug auf die Ware unterscheidet sich nach Auffassung von Paschukanis grundsätzlich von einer Bezugnahme auf womöglich dasselbe Ding, wenn es materiell benutzt wird:

„Jede andere Verwendung eines Dings ist mit irgendeiner konkreten Art ihrer Benutzung als Konsumtions- oder Produktionsmittel verbunden. Funktioniert aber das Ding als Tauschwert, so wird es zu einem unpersönlichen Ding, zum reinen Rechtsobjekt und das darüber verfügende Subjekt zum reinen Rechtssubjekt.“(102)

„Das Marktverhältnis enthüllt diese Gegensätzlichkeit zwischen Subjekt und Objekt in einem speziell rechtlichen Sinne. Das Objekt ist die Ware, das Subjekt der Warenbesitzer, der über die Ware im Aneignungs- und Veräußerungsakt verfügt. Gerade im Tauschgeschäft offenbart sich das Subjekt zum erstenmal in der ganzen Fülle seiner Bestimmungen.“(95)

Paschukanis folgert da aus der Qualität der Ware, nicht nur banaler Gegenstand, sondern in ihm gesellschaftlich Wert oder Tauschwert zu sein, ein getrennt davon notwendigen besonderen Willensbezug. Dem muß mit Marx entgegengehalten werden, dass dieser Willensbezug sich gar nicht auf das Wertsein („verdinglichte gesellschaftliche Zusammenhang“) und seine Realisierung richten kann. Der Wert ist und bleibt den menschlichen Akteuren ja gerade unbekannt bzgl. Qualität wie Quantität, er erhält sich gerade in der Ware und im Geld als Sphäre der nicht bewussten Gesellschaftlichkeit. Sie können ihn so gar nicht wollen. Vielmehr bezieht der Wille sich auch beim Tausch nur auf die Ware in ihrer Qualität als materieller Gegenstand. Entweder und zunächst verfügt er als Verkäufer über ihn, er hat in ihm, in seiner materiellen Besonderheit, den Wert in Händen. Oder und später verfügt er als Käufer über ihn, ebenfalls hat er in ihm den Gebrauchswert vor sich. Dadurch ist der Warengegenstand zwar Objekt und der jeweilige besitzende Mensch Subjekt dieses Gegenstandes. Aber damit hat weder der Gegenstand die Qualität eines „unpersönlichen Ding“s gewonnen, noch der Besitzer die Eigenschaft von einem abstrakten, nämlich „reinen Rechtssubjekt“ errungen. Der Gegenstand ist und bleibt bei der Ware als solcher Objekt in seiner Materialität, wie der Mensch als Mensch Subjekt dieses Gegenstands ist, ihn in seiner eigenen biologischen Existenz be-sitzt oder hütet. Auch wenn der Gegenstand darin zum Mittel gerät, ist er das doch als dieser materielle Gegenstand, und auch für den Menschen in seiner materiellen Bedürftigkeit. Aus sich heraus geht eine Warenverfügung nicht über eine Verfügung über den Gegenstand hinaus. Es mag zwar sein, dass über den Warengegenstand auch abstrakt-rechtlich verfügt werden kann und tatsächlich auch wird im bürgerlichen Alltag, aber das geschieht nicht als Konsequenz seiner Wareneigenschaft.


4.3. Ist der Warenbesitzer schon das juristische Subjekt?

„Das juristische Subjekt ist also ein in den Wolkenhimmel versetzter, abstrakter Warenbesitzer“(100)

Mit dieser resümierenden Aussage scheint Paschukanis diesen Inhalt des Rechtssubjekts näher gefasst zu haben als in seinen Analogismen. Hier sind die beiden Pole der Bestimmung nicht über eine gemeinsame Eigenschaft, sondern direkt logisch in Beziehung gesetzt. Das Rechtssubjekt erfährt eine gleichsetzende Bestimmung im Warenbesitzer. Die ausführenden Prädikationen Paschukanis´ relativieren allerdings diese reine Identität. Vielmehr sind diese näheren Bestimmungen als Eingeständnis Paschukanis´ zu nehmen, dass das juristische Subjekt gerade nicht oder nicht unmittelbar identisch ist mit dem Warenbesitzer. Vielmehr muss offensichtlich zu diesem Warenbesitzer noch etwas hinzukommen, damit aus ihm ein rechtliches Subjekt wird. Der Warenbesitzer mag zwar als der erste Schritt dahingehend behauptet sein. Er ist aber offensichtlich für sich den Konkretheiten des Umgangs des lebendigen Menschen mit materiellen Gegenständen doch noch so weit verhaftet, dass eine Loslösung („abstrakter“) von diesen materiellen Bezügen mit ihm noch nicht gegeben sein kann. Des weiteren mangelt es dem schlichten Warenbesitzer nach Paschukanis auch noch der positiv urteilenden Vergeistigung („Wolkenhimmel“). Von einer inhaltlich überzeugenden Zusammenführung der beiden Begründungsspole kann damit also keine Rede sein.



5. Erklärende Momente hin zum Recht


Paschukanis gesteht sich also in gewisser Hinsicht ein, dass die Ware selbst als Gegenstand und darin Objekt des Menschen diesen nicht per se zu einem abstrakten Subjekt werden lässt. Seine Gewißheit, in der Ware dennoch einen Springpunkt zur Rechtsperson vor sich zu haben, bringt er in weiteren, vermittelnden Momenten vor, die über diese nur Möglichkeit zur Person in der Ware hinausweisen sollen.


5.1. rechtliches „Privateigentum“ statt materielles Verfügen

Zunächst will er die Art der Verfügung in bürgerlichen Verhältnissen als rechtliche Verfügung genauer gekennzeichnet und vom unmittelbaren Verfügen getrennt wissen.

Die bürgerlich besondere Art und Weise von Verfügen hält Paschukanis terminologisch fest als „Privateigentum“. Einerseits unterscheidet er es damit von einem naturwüchsigem Verfügungsverhältnis zu allen Zeiten, das er Eigentum nennt, andererseits subsumiert er es als besondere Form unter diese ewige Aneignung:

„Das Eigentum als Aneignung ist die natürliche Konsequenz jeglicher Produktionsweise; aber nur innerhalb einer bestimmten Gesellschaftsformation nimmt das Eigentum seine logisch einfachste und allgemeinste Form des Privateigentums an, in der es bestimmt ist als die einfache Bedingung der ununterbrochenen Wertzirkulation nach der Formel W-G-W.“(17)

„Einen vollendeten und universellen Charakter nimmt das Privateigentum erst mit dem Übergang zur Warenwirtschaft oder richtiger zur warenkapitalistischen Wirtschaft an.“(106)

Die Bezeichnung „Privateigentum“ selbst kennzeichnet dieses nur als besondere Form von diesem allgemeinen Verfügungsverhältnis Eigentum. Die bürgerliche Verfügungsweise selbst erhält mit dem adjektivischen „Privat“ allein noch keine über die allgemeine und ewige Verfügungsweise hinausgehende Qualifizierung, außer den negativen Inhalt, Nicht-Gemeineigentum zu sein, eben unterschieden von einem (fiktiven) Gemein-Eigentum.

Allerdings werden mit „logisch einfachste und allgemeinste Form“ für die bürgerliche Verfügungsweise dennoch besondere Qualitäten genannt. Paschukanis unterscheidet es damit auch von etwa vorbürgerlichen Verfügungsweisen, die oft eine Einbettung in gesellschaftliche Verpflichtungen mit transportierten: „Es wird dem Objekt gegenüber gleichgültig und zerreißt jeden Zusammenhang mit den organischen Verbänden von Menschen“(106)

Das bürgerliche Privateigentum geht also nach Paschukanis allemal über die materiell unmittelbare Verfügung über den Gegenstand wie über jedes unbestimmte Haben hinaus:

„An und für sich entbehrt die Beziehung des Menschen zur Sache jeder juristischen Bedeutung“ (100f)

"Es wird dem Objekt gegenüber gleichgültig..."(106)

„Das Verhältnis des Eigentümers zum Eigentum ist … abstrakt, formal, bedingt und rationalistisch...“(106)

Das als bürgerlich gekennzeichnete Privateigentum ist damit als für sich eigene abstrakte Form von Verfügen vorgestellt, als reines Verfügen, von keinen anderen Inhalten oder Regelungen verunreinigt und relativiert, auch nicht von der Menschlichkeit des Subjekts, noch der Materialität des Objekts.11

Dennoch erscheint diese nähere Kennzeichnung des bürgerlichen Eigentumsverhältnisses in seiner Besonderheit inhaltlich unsicher in Bezug auf seine rechtliche Dimension, wie auch dürftig in seiner Unterscheidung von menschlichem Haben.


5.2. Tauschakt und Warenzirkulation als Grund des abstrakten Verfügens, des juristischen Eigentums?

Mit dem Privateigentum als „einfache Bedingung der ununterbrochenen Wertzirkulation“(17) setzt Paschukanis Ware und rechtliches Verfügen dann doch in ein erklärendes Verhältnis. In der logischen Beziehung einer „Bedingung“ kann es allerdings nicht um ein Begründungsverhältnis gehen. Da wird weder die Wertzirkulation als Grund für das Eigentum befunden, noch das Eigentum als Grund für die Wertzirkulation. Damit ist nur zum Ausdruck gebracht, dass Eigentum die Wertzirkulation ermöglicht, die Warenzirkulation also über das Eigentumsverhältnis durchgeführt und abgewickelt wird. Damit ist die von Paschukanis behauptete Verfügungsweise gerade nicht in ihrer Spezifizität notwendig und nur aus der Warenwelt erschlossen, sondern gerade in ihrer Phänomenalität belassen, wenn auch in ihrer Leistung für diese gewürdigt. Einer naturhaften Gegebenheit des Privateigentums als Tat der Menschen ist man damit aber gerade nicht entronnen. 12


Dennoch oder gerade deshalb bemüht sich Paschukanis mit näheren Bestimmungen darum, wie aus dem nichtrechtlichen Verfügen über den Warengegenstand doch ein so abstraktes Eigentumsverhältnis wird, so dass es nur als Recht existiert. Wenn ihm zurecht die Ware in ihrer materiellen Gegenständlichkeit wie das warenhütende Subjekt als Mensch dafür nur beschränkt taugt, so meint er dann immerhin im Tauschakt selbst einen entscheidenden Schritt zum rechtlichen Eigentumsverhältnis gefunden zu haben, woraus auch die Rechtssubjektivität sich erschliessen läßt.

Als erster unterscheidender Punkt mag ihm dabei gelten, dass nicht nur in der Warenverfügung, sondern auch im Tauschakt selbst im Gegensatz zur Werthaftigkeit der Waren ein Willensakt statthat:

„Erwirbt aber die Ware ihren Wert unabhängig von dem Willen des produzierenden Subjekts, so setzt die Realisierung des Wertes im Austauschprozeß einen bewußten Willensakt des Warenbesitzers voraus“(90)

Dabei bleibt er sich gewiß, dass das Willensverhältnis des Warenhüters als Mensch für sich nicht das abstrakte Verfügen zum Inhalt haben kann:

„An und für sich entbehrt die Beziehung des Menschen zur Sache jeder juristischen Bedeutung“ (100f)

Vielmehr soll dieses Eigentumsverhältnis per se ein Verhältnis zwischen Subjekten sein und kann darin erst zum so abstrakten Verhältnis werden:

„Jedes Rechtsverhältnis ist ein Verhältnis zwischen Subjekten.“(87)

Nach Paschukanis wird somit erst in der Veräußerung des Gegenstandes die Abstraktheit des Willensbezugs auf den getauschten Gegenstand sowohl wirklich als auch deutlich:

„...Privateigentum: erst das Moment der freien Veräußerung deckt in vollem Maße das prinzipielle Wesen dieser Institution auf...“(17)

Denn:

„Sein Wille im juristischen Sinn hat seine reale Grundlage in dem Wunsch, zu veräußern im Erwerben und zu erwerben in der Veräußerung“ (100)

"Im Tausch kann ... der eine Warenbesitzer nur mit dem Willen des anderen sich die fremde Ware aneignen, indem er die eigene veräußert."(102)

"Im Akt der Veräußerung wird die Verwirklichung des Eigentumsrechts als Abstraktion zur Realität."(102)

Die Wirklichkeit des Eigentums in der Aufgabe desselben, also ausgerechnet in seiner Negation vorfinden zu wollen, wirft schon Fragen auf. Paschukanis führt allerdings seine urteilenden Schlußfolgerungen gar nicht nachvollziehbar an den Inhalten der Willensakte aus, die das abstrakte Privateigentum angeblich konstituieren sollen.

Wenn man die Willensakte, die beim Tausch der Ware anzutreffen sind, aufgliedert und sich vor Augen führt, resultiert aber auch keine Abstraktheit des Verfügens gegenüber dem Warengegenstand:

Der Wille des menschlichen Warenhüters bezieht sich auf den Warengegenstand als seinen. Dieser Willensakt für sich beinhaltet – wie ja auch Paschukanis zugesteht – für sich noch keine Abstraktheit und Getrenntheit vom schnöden Sitzen auf dem Gegenstand. Der interessierte Käufer anerkennt und will diese Verfügung des Verkäufers, bezieht sich also willentlich positiv auf den Warenhüter in seiner Eigenschaft, den Gegenstand als seinen zu haben und zu wollen. Erst mit und nach dieser Anerkennung gibt der Verkäufer seinen Verfügungswillen auf zugunsten des Käufers, und nur unter der Bedingung, den Warengegenstand des Käufers mit Zustimmung seines Kontrahenten als seinen zu nehmen. Reziprok die umgekehrte Bezugnahme. Damit wird der Wille des Verkäufers wie des Käufers zwar bestätigt, aber nur in seiner schon vom jeweiligen Besitzer selbst vollzogenen, bestimmten Konkretheit. Der anerkennende Wille des Käufers selbst verändert also in keiner Weise den Willensbezug des Verkäufers auf den Gegenstand und umgekehrt. Der Verkäufer gibt seinen Willen zum Gegenstand als seinen dann im weiteren zwar auf, aber nicht zugunsten eines anderen, etwa abstrakten Willensverhältnisses, sondern gänzlich und zugunsten des Käufers. Der Wille des Käufers zum Gegenstand als seinen erfährt in der Transaktion dann seinerseits eine Bestätigung durch den Verkäufer, ist für sich und durch diese Anerkennung aber auch kein abstrakter. Ein Willensbezug auf den Gegenstand abstrakt vom Gegenstand und vom ganzen Menschen findet bei keinem der involvierten Subjekte und in keinem Moment der Tauschtransaktion statt.

Von einer Anerkennung eines Privateigentumsverhältnisses und eines Menschen als (abstrakten) Privateigentümer kann damit gar keine Rede sein, es bleibt bei einem Anerkennungsakt gegenüber konkretem Verfügen, tatsächlichem Besitz sowie des Menschen als Besitzendem:

„Bevor die Warenbesitzer einander als Eigentümer anerkannten, waren sie natürlich auch Eigentümer, aber in einem anderen, organischen, außerrechtlichen Sinne.“(100)

Damit bleibt – auch wenn er selbst diesen Schluß nicht ausdrücklich zieht – als rechtlicher Privateigentumsbegriff von Paschukanis, dass er den fremden Anerkennungsakt selbst zum konstituierenden Moment des Privateigentums erklärt.

Die inhaltliche Besonderheit des rechtlichen Verfügungsverhältnisses Privateigentum, abstrakter Willensakt eines Subjekts gegenüber einem Gegenstand zu sein, ist damit für obsolet und nichtig erklärt zugunsten des Willensakts des gerade nicht verfügenden Subjekts. 13

Ausgerechnet das Eigentumsverhältnis, das alle Subjekte der bürgerlichen Gesellschaft als ihren Willensakt betätigen, schätzen und anerkannt haben wollen, wird so zu seinem Gegenteil, zum fremden Willensinhalt erklärt, also quasi zum Gewaltakt gegen sie oder zur schlichten Täuschung darüber ausgerechnet bei den positiven Eigentümern. Wenn der Eigentümer selbst mit Paschukanis´ Vorstellung aber gar nicht das Subjekt dieses Verhältnisses darstellt, wäre eine Aufgabe dieses Eigentumsverhältnisses durch ihn dann auch gar nicht mehr möglich. Ein Vertrag über den Gegenstand könnte so – absurder Weise und gegen alle willentlichen Festlegungen im Vertrag nie und nimmer Tat der Eigentümer sein, sondern nur der anerkennenden Nichteigentümer.

Mit der unmittelbaren Gleichsetzung der Verfügungsweise Privateigentum mit dem anerkennenden Willensakt des nicht verfügenden Menschen ist es dann zwar zur gesellschaftlichen Tat erklärt, allerdings ist in diesem gesellschaftlichen Willen ausgerechnet der Wille des Eigentümers selbst, also des Subjekts in diesem Eigentumsverhältnis, nicht eingeschlossen. Es ist aber auch auf eine Erklärung verzichtet, dass und warum diese seine Bestimmung des Privateigentums sich ganz anders in Wille, Bewußtsein und Tat der Eigentümer als Akteure darstellt - obwohl es sich in dieser Sphäre doch um Willensverhältnisse, also bewußte Akte der Menschen handeln soll.

Auch die zeitliche und situative Punkthaftigkeit dieser fremde Verfügung gewährende Willensakte im Tausch wird von Paschukanis mit dem Kunstgriff der „Verdichtung der gesellschaftlichen Zusammenhänge“(93)14 zu einem kontinuierlichem Verhältnis erklärt:

"... hört das bürgerliche kapitalistische Eigentum auf, ein labiler, schwankender, rein faktischer Besitz zu sein..."(93)

„Diese von den Gesetzen des Marktes gesicherte Gegenseitigkeit gibt dem Eigentum seinen Charakter eines ´ewigen ´ Instituts.“(103)

„Ebenso wie die regelmäßige Wiederholung des Tauschakts den Wert als allgemeine,..., Kategorie konstituiert, gibt die regelmäßige Wiederholung derselben Beziehungen... der subjektiven Herrschaftssphäre … eine Grundlage...“(98f)

„Somit schafft erst die Entwicklung des Marktes die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Verwandlung des Menschen … in einen juristischen Eigentümer“(103).

Damit ist er dem inhaltlichen Nachweis einer Notwendigkeit von Privateigentum in ihrer allgemeinen Durchgesetztheit ebenfalls ausgewichen. Die Quantität der Tauschakte mag unabdingbar sein, damit ein Durchschnitt an Arbeitsaufwand im Tauschwert erscheint. Es ist und bleibt nur die Bedingung, nicht der Grund des Wertseins. Ebenso mag auch die Häufung, Dauer und Intensität gesellschaftlicher Beziehungen („Verdichtung“) in der "Entwicklung des Marktes" als Bedingung einer Subjektivierung in der Rechtsperson gelten. Weder ist damit der Inhalt dieser gesellschaftlichen Beziehung erfaßt noch aus ihr auf ein abstraktes Subjekt dabei mit Notwendigkeit zu schliessen.



5.3. Rechtsperson durch Anerkennung?


Nachdem die Warenverfügung für sich dafür nicht hinreichend ist, soll nach Paschukanis im Tauschakt und seinen Willensmomenten dennoch nicht nur die distanzierte Allmacht des Privateigentums gegenüber dem Gegenstand ihre begründende Geburtsstunde haben, sondern auch die Abstraktion zur Rechtssubjektivität stattfinden:

„In Wirklichkeit wird die Kategorie des Rechtssubjekts selbstverständlich aus dem auf dem Markte vor sich gehenden Tauschakt abstrahiert. Gerade in diesem Tauschakt realisiert der Mensch in der Praxis die formelle Freiheit der Selbstbestimmung.“(gegen Karner, 95)

"Die freien und gleichen Warenbesitzer, die sich auf dem Markte treffen, sind es nur im abstrakten Verhältnis der Aneignung und Veräußerung,"(127)

„Tatsächlich ist der Mensch als... gleichwertige Persönlichkeit nichts weiter als die Vorbedingung für den Tausch nach dem Wertgesetz. Eine solche Bedingung ist auch der Mensch als Rechtssubjekt, d.h. als Eigentümer.“(132)

„Außerhalb des Vertrags existiert der Begriff des Subjekts und des Willens im rechtlichen Sinne nur als unlebendige Abstraktion“(100)

„Erst im Vertrag kommen die Begriffe in echte Bewegung. Zugleich erhält im Tauschakt auch die Rechtsform in ihrer einfachsten reinsten Gestalt eine materielle Grundlage.“(100)

Mehr als der Anerkennungswille von Seiten des Nichteigentümers oder Käufers ist da aber von Paschukanis nicht identifiziert. Eine solche Anerkennung kann für sich über den so konkreten Verfügungswillen des tatsächlich Habenden nicht hinausgehen. Außer es besteht schon ein abstrakter Wille beim habenden Subjekt. Die Anerkennung wäre dann aber eine des vorgegebenen abstrakten Subjekts und nicht die Tat der Kreation desselben. So ein Anerkennungsverhältnis gegenüber einer Rechtsperson mag allerdings im tatsächlichen Rechtsverkehr tatsächlich existieren und jedem selbstverständlich sein, die Rechtsperson selbst ist aber nicht aus dem Zustimmungswillen bei der Zirkulation der Warengegenstände herleitbar.


Auch Paschukanis hält offensichtlich die Warenverfügung und Warenzirkulation nur für eine der Bedingungen, die selbst höchstens eine Potentialität für die Rechtsperson in sich birgt. Eine weitergehende Bedingung hat er dann an anderer Stelle verortet. Erst im Rahmen der Entwicklung von Staatlichkeit sieht er darüber das Rechtssubjekt endgültig verwirklicht:

„Diese realen Bedingungen bestehen ... in der wachsenden Macht der sozialen Organisation,..., die ihr Maximum in dem `wohlgeordneten´ bürgerlichen Staat erreicht. Hier löst sich die Fähigkeit, Rechtssubjekt zu sein, endgültig von der lebendigen konkreten Persönlichkeit los, hört auf, eine Funktion ihres wirksamen bewußten Willens zu sein und wird zur rein gesellschaftlichen Eigenschaft. Die Handlungsfähigkeit abstrahiert sich von der Rechtsfähigkeit, das juristische Subjekt bekommt einen Doppelgänger in Gestalt des Stellvertreters und gewinnt selbst die Bedeutung eines mathematischen Punktes, eines Zentrums, in dem eine gewisse Summe von Rechten konzentriert ist.“ ( 93).

Dass die Rechtsperson als reine Willensposition der Würdigung durch die rechtlichen Instanzen bedarf, und auch erst der von den Rechtspersonen getrennte materielle Staat diesen für sich flüchtigen Subjekten reale Wucht verleiht, ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Das dem vorgegebene Subjekt aber, das angeblich erst durch diese Akte „endgültig“ wird, ist und bleibt für sich nach Paschukanis ein nur mögliches Subjekt. Damit ist zu bedenken, ob Paschukanis die abstrakte Person tatsächlich als Subjekt für sich – mit aller Freiheit eines solchen im Willensakt – überhaupt qualitativ vollständig und mit aller Notwendigkeit gefolgert haben will.

Nur ein solches für sich selbstbewusst frei bleibendes und dennoch von seiner menschlichen Materialität abstrahierendes Subjekt kann aber vertreten werden in den staatlichen Korporationen und für sich diese Institutionen dann – wie wir es bei bürgerlichen Verhältnissen kennen – als seine annehmen.



6. Das Subjekt der Rechtsperson bei Paschukanis


Die Bestimmung dieses Rechtssubjekts in seiner Abstraktheit durch die Tat der Warenhüter gelingt Paschukanis nicht, und kann auch nicht gelingen. Zu Recht bescheidet sich Paschukanis mit der Feststellung nur einer Parallelität von Ware und Recht. Soweit Paschukanis das Rechtssubjekt dennoch mit der Warenverfügung als begründet behauptet, betont er nur seine Funktionalität für diese und bleibt so den Willensakten und Subjekten der privaten Warenzirkulation verhaftet.

Die andere Seite dieser Fehlbegründung besteht darin, das Rechtssubjekt in seinen abstrakten Qualitäten und Taten zwar wahr zu nehmen, aber als freies gerade eliminiert zu haben. Dieses vollendete Rechtssubjekt ist bei Paschukanis nämlich gerade nicht ein Subjekt aus sich heraus und für sich, durch die Tat und den Willensakt des jeweiligen individuellen Menschen selbst.

Die Ware selbst qualifiziert seinen menschlichen Hüter ja auch nach Paschukanis keinesfalls zur Rechtsperson in ihrer Abstraktheit, sondern allenfalls zur Fähigkeit zu ihr. Die Abstraktheit dieses Subjektseins, die Paschukanis als seine hervorragende Eigenschaft ansieht, gewinnt nach seinem Urteil ein Mensch nicht durch die Warengegenstände, noch durch die Verfügung über sie oder ihren Tauschakt. Die Abstraktion zur Rechtsperson ist bei Paschukanis vielmehr erst eine Leistung der Festlegungen und Verfahren durch andere Subjekte als das verfügende Subjekt selbst. Zum einen nennt er da ausgerechnet die Nichthüter der Ware, die ihn als reellen Warenhüter, der er schon ist, angeblich durch Anerkennung erst zum Privateigentümer werden lassen. Zum anderen leisten das nach seiner Darlegung die fertigen Instanzen des Rechts, also des vollendeten Staates, den er doch erst als Resultat dieses subjektiven abstrakten Willens aussehen lassen wollte.

Paschukanis bestimmt und denunziert damit das Rechtssubjekt zwar als Nicht-Subjekt. Er erklärt es aber unmittelbar zu seinem Gegenteil, nämlich zum Objekt anderer gesellschaftlicher Willen. Diese Negation des Subjekt-Seins erweist Paschukanis also gerade nicht an seiner besondere Art, Subjekt zu sein, nämlich eine für sich abstrakte Willensinstanz und deren Grund in der willensfreien bürgerlichen Ökonomie. Vielmehr ist ihm die Rechtsperson Nichtsubjekt darin, Subjekt einzig und allein durch die anerkennende Tat anderer Subjekte gegenüber ihm als Objekt zu sein.

Paschukanis´ Erklärung des Rechts aus dem Tauschverhältnis enthält damit zwar Argumente gegen eine Verewigung des Rechts. Nachdem ihm nicht die Verwertung von Wert, sondern die Ware als maßgeblicher Schritt zum Recht erscheint, nötigt seiner Ansicht nach das noch bestehende "Äquivalentverhältnis zwischen Arbeitsverausgabung und Vergütung" (36) im revolutionären Russland noch zu rechtlich geregelten Verhältnissen. Seine erweiterte Begründung des Rechts im gesellschaftlichen Willensakt relativiert diese kritische Distanz dann allerdings auch begrifflich. Diese Sichtweise kann vielleicht seine tragende wie tragische Rolle bei der positiven Gestaltung des sowjetischen Rechtssystems erklären. Mit der Qualifizierung des Menschen zur Rechtsperson weniger durch den subjektiven Willensakt, vielmehr entscheidend über die Anerkennung durch gesellschaftliche Instanzen, mag ihm die Schaffung eines alternativen sowjetischen Rechtssubjekts auch jenseits der nur grundlegende Möglichkeit dazu im Tausch, sondern als staatliche Festlegung ohne freies Subjekt eingeleuchtet haben.


7. eine alternative Begründung der Rechtsperson aus dem marxschen Kapital 15


Die Bemühungen von Paschukanis, das Recht als logische Konsequenz der Ware und darin sogar der kapitalistischen Produktion zu erweisen, müssen damit insgesamt als misslungen bis vereitelt betrachtet werden. In der Regel wird mit Kenntnisnahme schon einzelner Mängelpunkte seiner Theorie eine Begründung des Rechts und des Willens zum Recht aus ökonomischen Bestimmungen ganz aufgegeben. Mit Paschukanis wird das Recht dann gerne auch nur als "andere" soziale Form der bürgerlichen Gesellschaft genommen, deren Beurteilung da immerhin Wille und gesellschaftlichzumindest zwiespältig, wenn nichtgar alternativ positiv ausfällt.

Das theoretische Anliegen von Paschukanis kann jedoch in anderen Momenten der Marxschen ökonomischen Kategorienkonstellation erfüllt werden. Es gibt nämlich in "Das Kapital" jenseits der sachlichen Kategorien nicht nur den Übergang in die menschliche Welt des Willens in der Warenverfügung, deren Bezug zur Mehrwertproduktion äußerlich bleibt. Im 3.Band von "Das Kapital" resultieren, letztlich aus der Mehrwertproduktion selbst, in den sogenannten Revenuequellenbesitzern ebenfalls menschliche Subjekte, die sich in ihrem Bezug auf die ökonomischen Gegenstände aber völlig anders verhalten als die schlichten Warenbesitzer. Sie mögen zwar mit den Warensubjekten gemein haben, ihr Wohl (respektive ihren Gebrauchswert) dabei zu verfolgen, und sich ebenfalls nur verfügend über Gegenstände geben und sich mit den anderen Gesellschaftsmitgliedern darüber ins Benehmen setzen. Ihre Art des willentlichen Bezugs auf ihre gegenständlichen Mittel ist aber eine andere als bei der Ware:


Über alle Gegenstände, die Einkommensquelle (und damit Resultat der Verwertung von Wert) sind, (kann nicht nur, sondern) muss materiell distanziert und zugleich bleibend umfassend, und in diesem Sinn abstrakt, verfügt werden. Die materielle Verfügung muss bei diesen Einkommensquellen getrennt von der reinen Willensverfügung gerade anderen überlassen sein, und nur darin und damit sind sie Revenuequellen und können es nur so sein. Soweit über dieselben Gegenstände (Geld, Natur, Mensch...) konkret verfügt wird (was ja auch möglich ist, da sie Gegenstände sind), sind sie als dieselben Gegenstände gerade keine Revenuequellen. Die abstrakte Verfügung ist hier bei den Revenuequellen getrennt von materieller Verfügung und (im Gegensatz zu den Warengegenständen nicht nur möglich, sondern) notwendig eine für sich besondere Verfügungsweise. Diese Art von Verfügung wird initiiert und erhält sich mit der materiellen Transaktion des Gegenstandes als reines Willensverhältnis zum Gegenstand als seinem.


Allerdings macht auch dieser vom materiellen Verfügen getrennte distanzierte Willensbezug allein noch kein abstraktes Subjekt erforderlich. Es kann immer noch der Mensch als Mensch sein, der etwa Geld oder Boden als dieselben materiell hat und dann verleihend aus der Hand gibt. Erst im Verleih des Menschen, beim Lohnarbeiter, ergibt sich eindeutig diese substanzielle Abstraktheit eines Subjekts: Der Lohnarbeiter muss, will er sich als ganzen Menschen verleihen, neben sich als Mensch ein ideelles Subjekt ausbilden. 16

Erst so ein vom Gegenstand seines Verfügens (also vom menschlichen Individuum) und dessen materiell wie zeitlich sich ändernder Substanz abstrahiertesund darin überhaupt erst rechtlich zu nehmendesSubjekt kann auch in gleicher Weise zugleich Subjekt jedweden Gegenstandes wie anderer Revenuequellen und auch der Warengegenstände sein. Diese Gleichgültigkeit gegen die so verfügten Gegenstände macht diese wiederum erst zur beliebigenund damit rechtlich handhabbaren"Sache". Und auch nur so ein qualitätsreduziertes Subjekt kann sich so umstandslos repräsentieren lassen in gesellschaftlichen Verbänden und Institutionen, und da in einer eigenen nur "juristischen" Person auftreten. Hier bietet sich wohl der von Kritikern wie Poulantzas so vermisste Übergang zum öffentlichen Recht.

Willensbezug besteht von Seiten solcher Subjekte dann allemal nicht mehr zwischen Menschen als ganzheitliche Individuen, schon gar nicht mit bewusst gesellschaftlichen, und darin etwa strittigen Inhalten, sondern notwendig einerseits nur von Seiten der abstrakten Person auf die Sache, dannaber nur über die Sacheauch zwischen Personen. Damit sind diese Subjekte einander so gleich wie gleichgültig und sogar fremd, wie wir es bei rechtlichen Subjekten und ihren Beziehungen vorfinden, und wie sie dann von Staats wegen anerkannt und materiell geltend gemacht sein wollen.

Auch wenn die Menschen diese Art abstraktes Subjektsein in aller Freiheit als Mittel nehmen und gestalten, und es in der Verfolgung ihres Wohls und Glücks an sich ausbilden, wie auch an ihren Zwecken relativieren; auch wenn sie also für sich diese rechtspersönlichen Bezüge durchaus nur neben nichtrechtlichen Beziehungen untereinander pflegen, und sich nur im Zweifelsfall und in der aus ihren materiellen Taten gegeneinander sich ergebenden Not auf diese Position ihrer Rechtssubjektivität besinnen (soweit sie nicht schon von den anderen Menschen und von Staats wegen darauf festgelegt werden); in all ihnen dabei bestehen bleibender Freiheit ist dennoch eine Notwendigkeit dieser besonderen Rechts-Subjektivität erschlossen, und zwar als eine Notwendigkeit der bürgerlichen Gesellschaft und nicht eine von menschlichem Umgang überhaupt.


Allein eine derartige abstrakte Willenskonstellation von individuierten Subjekten in einer Gesellschaft mehrwertschaffender Lohnarbeit bedarf dann auch zu ihrer Geltung einer sie materiell als und ins Recht setzenden Staatsgewalt, die diese Willensinhalte getrennt von den Subjekten zu ihrer ganz eigenen Sache macht.



1  Dieser Punkt wird häufig kritisch gesehen, dass Paschukanis das eben gerade nicht geleistet habe, sondern den privatrechtlichen Subjekten und Verfahren verhaftet geblieben sei. (Karl Korsch XI, Oskar Negt, Poulantzas...)

2  Dieses von ihm beanspruchte Resultat wird gerne für sich genommen, und zu politischen Beurteilungen von Paschukanis herangezogen. Je nach anderweitig gebildeter eigener Gesinnung ergibt sich dann entweder eine Belobigung, als besonders radikaler Denker, oder eine Verurteilung von Paschukanis, etwa als dogmatischer Romantiker. Beide Vorgehensweisen kommen in der Regel ohne inhaltliche Kenntnisnahme und Beurteilung der theoretischen Leistungen von Paschukanis aus.

3  Schon Karl Korsch 1930 hatte da eine Distanz zu Marx bemerkt, der "das ökonomische Verhältnis als das grundlegende, dagegen das juristische ebenso wie das politische Verhältnis als daraus abgeleitete Verhältnis betrachtet." (Korsch XI). Paschukanis dagegen betreibe eine "durchgehende Gleichstellung ... der Rechtsform mit der Warenform"; (Korsch X, 1930 im "Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung", abgedruckt im Reprint von 1969)

4  Grund und Begründetes auseinander zu halten bedeutet gerade nicht, sie einander gleich oder identisch zu setzen,wie Ingo Elbe gegen Poulantzas hervorhebt: "Rechtsform und Produktionsverhältnisse. Anmerkungen zu einem blindenFleck in der Gesellschaftstheorie von Nicos Poulantzas." in: U.Lindner/J.Nowak/P.Paust-Lassen(Hg.), Philosophieren unter anderen, Münster 2008

5vgl. S.Buckel: Subjektivierung und Kohäsion, Weilerswist 2007

6  zur Vermeidung von Missverständnissen: Die Eigenschaft dieses Rechtssubjekts, abstrakt vom Menschen zu sein,enthält für sich noch keine inhaltliche Beurteilung desselben. Mehr als eine Kenntnisnahme der Qualität dieser Art Subjektivität bei der Rechtsperson ist damit nicht gegeben - wenn sich daraus auch vielleicht ein Verwundern darüber ergeben mag. Es ist da auch keineswegs ein äußerlicher Maßstab formuliert, an dem die Folgerungsleistung von Paschukanis zu messen sei. Vielmehr hat auch Paschukanis nur wahrgenommen und festgehalten, worin die Qualität der Rechtsperson besteht, und hat sich selbst das Ziel gesetzt, diese substanzielle Qualität eines solchen Willens zu begründen. Was die Abstraktheit der Person mit der Abstraktheit der Arbeit in der bürgerlichen Ökonomie zu tun haben mag, so gilt auch hier, dass die Analogie in Sachen Abstraktheit der beiden gesellschaftlichen Formen da gerade keinen hinreichenden Hinweis geben kann.

7  Manch einer gibt sich allerdings ganz zufrieden damit, die anderen Menschen als bewußtlose Objekte und Fetisch-Opfer, und sich selbst mit Marx als Kenner des materiellen Weltgeistes und Prophet seiner historischen Mechanik zu imaginieren. Den bürgerlichen Menschen, die ganz frei gesellschaftlich zu sein meinen, will so ein Marxismus dann ehr nicht argumentativ nahe treten.

8  Ein derartiges logisch folgerndes Anliegen hat auch als "Ableitungsdebatte" in den 70er Jahren des 20.Jahrhundert die marxistischen Gemüter in Westdeutschland bewegt - allerdings weniger bzgl. der Willensmomente der bürgerlichen Individuen, sondern vorrangig und meist kurzschlüssig des fertigen Staates. Die theoretische Durchführung desselben wie auch die Debatten darüber sind über politische Zerwürfnisse im Sande verlaufen, wohl nicht zuletzt weil die Willensmomente der bürgerlichen Individuen allseitig dabei ignoriert wurden.

9  wie etwa bei A.Fisahn: Paschukanis versus Bloch. Sozialutopie und Rechtsform. in PROKLA 165, 2011

10 Die Kritik dieses Mangels identifizierte meist keinen an den Bestimmungen der Ware, und kam so in der Regel über ein Dominanzdogma der Produktion nicht hinaus. Schon Korsch beklagte hier nur negativ und formell, "seine für einen´Marxisten´ äußerst merkwürdige Überschätzung der ´Zirkulation´", Korsch XI. Auch Oskar Negt ("10 Thesen zur marxistischen Rechtstheorie" In: H.Rottleuthner: Probleme der marxistischen Rechtstheorie, Frankfurt 1975, zitiert als ON) mahnte den Bezug auf die Produktion als Erfordernis für eine korrekte Bestimmung des Bürgerlichen am Recht an (ON 49ff). Er setzte dagegen: "Nicht alle Waren, auch nicht der durch Verträge vermittelte Warenverkehr, sondern ausschließlich die Ware Arbeitskraft ist deshalb Bezugspunkt der Ableitung und der Erklärung des Rechts"(ON52). Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass die Begründung, die Negt vorschwebt, keine Begründung des Rechts überhaupt und als reale gesellschaftliche Institution sein will, sondern nur eine seines Illusionscharakters in kapitalistischen Verhältnissen. Allein in der "Form der Lohnarbeit"(ON55) (als angeblich Tausch Lohn gegen Arbeit) findet sich nach Negt dieses Täuschungsmoment des Rechts, der "objektive, die Rechtsvorstellungen des Arbeiters und des Kapitalisten bestimmende Schein"(ON55): "Die der Produktion des Mehrwerts innewohnenden Verkehrung des Äquivalententauschs erzeugt einen objektiven Schein , der beim Tausch aller anderen Waren nicht auftritt"(ON53). Diese Verschleierung der wesentlichen Verhältnisse in den "Bewußtseinsformen und Rechtsvorstellungen"(ON55) macht für Negt die Bürgerlichkeit des Rechts aus, nicht das Recht selbst. An Negts Sichtweise knüpft offensichtlich Stein ("Die juristische Weltanschauung" 2010/2012) an, indem auch er den Betrugscharakter des Rechts für den Sachverhalt der Lohnarbeit hervorhebt.

11  Einen besonderen Stellenwert nimmt bei Paschukanis bezüglich des Eigentums dann die Auseinandersetzung mit Karl Renner (als "Karner") ein. Paschukanis wirft ihm vor, bei seiner Fassung des „Eigentum de jure“ „eine andere Auffassung vom Eigentum“ zu pflegen (104). Dem setzt Paschukanis überraschender Weise entgegen: „´Die unbegrenzte Verfügungsgewalt über das Ding´ ist nur der Reflex der unbegrenzten Warenzirkulation“ (104), und wirft ihm vor, „das Eigentum von jenem Moment zu abstrahieren, das es juristisch konstituiert, d.h. vom Tausch.“ (107) Nun mag Karner diesen Grund dafür vielleicht nicht gesehen und berücksichtigt haben. Das muss aber noch nicht seine Aussage zum „Eigentum de jure“ mindern. Dieses will doch auch Paschukanis getrennt von seinem Grund festgehalten haben, nur dann ist eine Begründung überhaupt möglich. Paschukanis leistet sich hier bzgl. des Privateigentums eine gewisse Unentschiedenheit: Will er es als Willensakt logisch doch noch der Warenwelt zuordnen, oder ist es schon die davon getrennte Welt des Rechts, die sich mit ihm eröffnet. Einerseits sieht er das Privateigentum als Warenverfügung, andererseits gerade nicht, sondern nur als durch die Ware (zumindest historisch) begründet:

„Das Eigentum im juristischen Sinne ist … entstanden, weil (die) Menschen... nur unter der Charaktermaske des Eigentümers Waren austauschen konnten.“(104).

Hier kann man sich fragen, ob für Paschukanis überhaupt die Unterscheidung von wesentlicher Sachlichkeit und erscheinenden Willenskategorien der bürgerlichen Gesellschaft gilt, die er mit seiner Form-Frage doch unterstellt.


12   Diese von Paschukanis so hervorgehobene Verhältnis der Funktionalität des Eigentums wie des Rechts überhaupt für die Abwicklung der kapitalistischen Ökonomie wurde doch häufig moniert: Ökonomismus war der Vorwurf (von Poulantzas etc.). Dass damit kein spezifischer Grund in der Ökonomie identifiziert ist, wurde also zwar zur Kenntnis genommen, aber häufig nur, um eine Begründungsleistung ökonomischer Kategorien für das Recht überhaupt zu verwerfen. Sonja Buckel bringt das in der Selbstsicherheit eines allgemeinen Konsenses - zugunsten einer Chimäre von Totalität - sogar verbietend vor: „Das Recht darf... in keiner Weise aus einem Moment „abgeleitet“ werden...“, Sonja Buckel 214)

13  Auf diesen Erklärungskniff setzt besonders Stein. Daraus ergibt sich für ihn eine positive Beurteilung des Eigentums wie des Rechts, da es damit immerhin auf gesellschaftlichem Willen beruhe. Auch Sabine Nuss (Copyright & Copyriot, Münster 2006, S.152) hebt den wesentlich gesellschaftlichen statt privaten Charakter des Eigentums hervor.

14  diese schillernde logische Kategorie der "Verdichtung" als Bestimmung von Nichtbestimmtem ist im Anschluß

an Gramsci zur Moderedeweise zur Umgehung eines Begriffs von Sachverhalten geworden. So kreierte Poulantzas die Vorstellung vom Staat als "Verdichtung von Kräfteverhältnissen" und verbat sich damit eine weitere substanzielle Erklärung des Staates.

15  Harald Haslbauer: Eigentum und Person. Begriff, Notwendigkeit und Folgen bürgerlicher Subjektivierung. 2010; www.eigentum-und-person.de

16  Das wirft allerdings ein kritisches Licht auf die Architektonik vom Marx´ Kapital: Marx hat mit seinem Beginn bei der Ware die Lohnarbeit als Verkauf der Arbeitskraft, also einer Möglichkeit zur Arbeit gefasst, und so den Blick dafür verstellt, dass diese Transaktion real nur vollzogen werden kann, indem der Mensch als Gegenstand verliehen wird.